Bild: MERCEDES SOSA: DIE STIMME LATEINAMERIKAS

Geschichten des Südens

01.02.–05.02.2015

Cineding, Schaubühne Lindenfels

www.argentinische-filmtage.de

Die kleine Schwester übt noch

Ein Blick auf „Geschichten des Südens“

Dieses Jahr gibt’s keine „echten“ Argentinischen Filmtage, sondern sozusagen ein kleines Schwesterfestival. Ob der Nachwuchs gegen das große Vorbild besteht? Fakt ist: Magenstarke merken sich gleich TEUFEL vor und lernen Boxer Marcos kennen, der im Ruhestand verweilt, nachdem er einen Gegner zu Tode prügelte. Depressiv will der Mann jetzt nix weiter vom Leben, nur die Ex zurück und möglichst Ruhe, doch als sein Cousin anklopft, laufen die Dinge ganz anders. Namentlich ziemlich krank und mit ungehemmt sprudelnden Blutfontänen, was durchaus die im Pressetext zu Rodriguez gezogenen Querverbindungen rechtfertigt. Leider stimmt aber auch sämtliches Gewisper über Tarantinos Einfluß, weil das Drehbuch permanent nervende pseudo-coole Dialoge auffährt.

Sofort werden da doppelt Assoziationen zu PLAN B geweckt: Dort möchte Bruno gleichsam die Verflossene neu entflammen. Zweckdienlich wirft er sich an deren aktuellen Galan ran, macht auf falschen Kumpel – bis sukzessive mehr draus entsteht, wechselseitige Anziehung knistert. Der Fortgang jener fehlgeleiteten Intrigentat ergeht sich in Dauergesprächen, welche inhaltslos und unfreiwillig komisch sind, dazu schrecken ständiges Umschwänzeln, überlange Blicke aus Dackelaugen und Kamera-Angeifern mäßig prall gefüllter Slips. Ob die Jungs irgendwann endlich zu Potte kommen, erfahren daher bloß die Hartnäckigsten.

Leider ebenfalls nicht völlig überzeugend geriet MERCEDES SOSA: DIE STIMME LATEINAMERIKAS. Hier erhält die indigene argentinische Sängerin ihr längst fälliges Denkmal, was per se okay geht. Allerdings löst sich die Inszenierung nie vom üblichen Mix aus Lobpreisungen, zerfetztem Archivmaterial und – ganz klar – eingestreutem Liedgut. Letzteres beeindruckt, auch die Montage weiß zu gefallen, andererseits treten schnell Redundanzen auf, ferner zerfließen stets die Grenzen zwischen tief empfundener Zuneigung und purer Hagiographie.

Wie einschränkungslos hingegen OFFENE FENSTER, OFFENE TÜREN gelang, zeigt die zugehörige Rezension im Playerweb. Außerdem begleitet WOLFSFRAU eine Männermörderin bei der Drecksarbeit, beleuchtet DIE FLIEGE IN DER ASCHE Zwangsprostitution, steht die Stummfilm-Sci-Fi-Posse QUEST FOR THE POWER SPHERE (hier suchen böswillige Aliens Buenos Aires heim) auf dem Programm, und lockt die Liebeskomödie DAS GLÜCK IN DEINEN HÄNDEN romantisch Veranlagte. Ergo genug Möglichkeiten, der Lütten trotzdem eine Chance zu gewähren.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...