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Bedways

Offensive Nabelschau einer Hauptstadt-Szene

Die junge Regisseurin Nina lädt Marie und Hans, zwei junge Schauspieler, zu Probeaufnahmen für einen Film ein. Um Liebe und echten Sex soll es gehen, aber statt eines Skripts gibt’s nur vage skizzierte Szenen, und die drei müssen erst herausfinden, wie es weitergehen soll. Mit der Story, vielleicht wird es ja eine, mit Nina und Hans, die sich von einer früheren flüchtigen Begegnung her kennen, mit Hans und Marie, die beim Experimentieren nicht zögern, und mit Nina und Marie und mit dem Film überhaupt.

RP Kahl sucht die Herausforderung: Erotik und Sex, die Erzeugung „wirklich“ intimer Szenen im Film und mittels des Mediums. Der Ort der Suche ist wie bei seinem Spielfilmdebüt ANGEL EXPRESS der Underground, die Szene Berlins, und ihr „Lifestyle“ ist tatsächlich raumgreifend. In diesem Sinne wirkt die gestochen scharfe HD-Optik, wirken Live-Musik (Sissimetall) und Soundtrack (unter anderem Die Haut, MyPark), wirkt das stilisierte Ambiente eines fast leeren Apartments. Diese vier Wände, innerhalb derer Kommunikationscodes und Verhaltensmodelle untersucht werden wollen, sind in einer Lesart der künstliche Rahmen des Geschehens, und fast scheint es, als sollten sich Kahls Probanden daraus nicht befreien dürfen. Dabei arbeiten sie sich ab. An kargen Dialogen, an der Leere zwischen den Sätzen und dem Nichtgesagten, am Beieinandersein und am Schutz voreinander. Wäschestücke fallen, Mauern werden eingerissen und wiederaufgerichtet, ein neues Spiel beginnt.

In den sieben Erzählkapiteln arbeitet sich auch Kahl gründlich ab – an Themen und Bildern. Klischees, selbstredend reflektiert, werden bedient, alles will auf einen Erkenntnisprozeß hinaus, den des Zuschauers. Doch eine wahre Schöpfungsgeschichte gelingt nicht aus den Versatzstücken von Lebensweisheit und philosophischen Zitaten. Ebenso hipp wie der Lifestyle der Figuren, egal, womit sie sich nun herumschlagen mögen, ist das Experimentieren des Regisseurs selbst. Die Einladung an den Zuschauer ist bei BEDWAYS tatsächlich eine eher verhaltene.

Den Berliner Szene-Kosmos und das zugehörige Lebensgefühl sollte man kennen und mögen. Abseits davon bleibt der Eindruck einer offensiven Nabelschau, provozierend nackt, aber wenig erotisch.

D 2010, 79 min
FSK 16
Verleih: Reverse Angle

Genre: Experimentalfilm, Erotik

Darsteller: Miriam Mayet, Matthias Faust, Lana Cooper

Regie: RP Kahl

Kinostart: 03.06.10

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.