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Hejar

Türkisches Gegenwartskino - mutig, kritisch, bewegend

Hejar flucht wie ein Hafenarbeiter, Hejar weint, Hejar will wieder zu ihrer Mutter. Sie spricht kurdisch, deshalb versteht Rifat Bey kein Wort. Er will diese Sprache nicht in seinem Haus hören! Doch wie soll er sich mit dem kleinen Mädchen verständigen, daß nach einer Polizeiaktion in der Nachbarwohnung nun blutend vor seiner Tür steht? Wegschicken kann er sie nicht, dazu ist er zu korrekt. Also wohnt sie bei ihm, wird neu eingekleidet, hat sich an seine Rituale und Vorschriften zu halten.

Nach und nach bringt der pensionierte Richter etwas in Erfahrung über Hejar. Sie verlor ihre Familie bei einer "Polizeiaktion" im Heimatdorf, und auch die Cousine, welche in der Stadt für sie sorgen sollte, fällt der Staatswillkür zum Opfer. Rifat Bey macht einen Bekannten des Mädchens ausfindig, doch eigentlich will er sie nicht mehr loswerden. Die letzte Entscheidung liegt aber bei Hejar selbst.

Was im hiesigen Kontext als bewegendes Drama daherkommt, ist in der türkischen Heimat zum Politikum geworden. Der preisgekrönte Film HEJAR wurde nach Erfolg bei Publikum, Presse und auf internatonalen Festivals von der Zensur verboten, vom Verleih zurückgezogen. Der Regisseurin wird der Prozeß gemacht. Es geht vor allem um die Darstellung der Polizeipraxis in der Türkei. Wieder einmal kann nicht sein, was nicht sein darf, und das macht HEJAR so einmalig, so wichtig. Solang Demokratie vielerorts nur auf dem Papier existiert, ist es die Aufgabe ambitionierter Filmemacher, Ungerechtigkeit zu zeigen und das erzwungene Schweigen zu brechen.

Regisseurin Ipekci findet nicht nur die passenden Bilder zur Odyssee eines Mädchens durch eine feindselige Kultur. Sie zeigt auch, wie Sprache zum Mittel der Abgrenzung, der Unterdrückung und schließlich der Annäherung wird. Verbietet der Richter Hejar anfangs den Mund, so lernt er später ihre Muttersprache É

Sicher ist niemandem geholfen, wenn wir Filme über Ungerechtigkeit schauen. Aber eine Meinung zu aktuellen Ereignissen zu haben, ist vielleicht ein erster Schritt.

Originaltitel: BÜYÜK ADAM KÜCÜK ASK

Türkei 2001, 120 min
Verleih: Movienet

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Dilan Ercetin, Sükran Güngor, Füsun Demirel

Regie: Handan Ipekci

Kinostart: 22.05.03

[ Roman Klink ]