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Drei Affen

Die Wiederentdeckung der Melodramatik

Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen, so der Untertitel. Das japanische Sprichwort der drei Affen war ursprünglich nicht unbedingt negativ besetzt. Es kann vorteilhaft sein, über Schlechtes hinwegzusehen. Es kann aber auch fatal sein. Doch wo ist die Grenze?

Nuri Bilge Ceylan, einer der ganz großen türkischen Autorenfilmer, reduziert seinen Film auf wenige Personen: eine Frau, ein Mann und ihr gerade erwachsener Sohn. Der Mann ist der Chauffeur eines Politikers im Wahlkampf, der einen Autounfall baut, und er geht für diesen ins Gefängnis. Für viel Geld. Doch sein Sohn hat mit dem Geld eigene Pläne, und die Frau verstrickt sich in eine Affäre mit dem Politiker. Und als der Mann aus dem Gefängnis kommt, hängt eine Wolke der Schuld über der Familie, die nicht mehr aufzulösen scheint und auf noch ältere Episoden der Familiengeschichte verweist.

Doch all das erzählt Ceylan zwischen den Zeilen. Unausgesprochene Schuld und unerfüllte Sehnsüchte sind der Ausgangspunkt für eine melodramatische Verwicklung, die mit dem Schweigen der Protagonisten wächst. Eine Spannung, die sich wie von selbst generiert und in bedrohlichen Landschaftsaufnahmen eine Entsprechung findet. Wortlos haben sich die Protagonisten ineinander verbissen. Alles passiert aus den Augenwinkeln. In fast jeder der sorgfältig arrangierten Bildkompositionen spürt man durch den Standpunkt der Kamera einen potentiellen heimlichen Beobachter. Vielleicht ist es aber auch bloß der Zufall, der uns so nahe an die Drei heranrückt. Wie zufällig auch einige befreiende Momente von Humor. Da sucht die Frau im Büro des Politikers minutenlang nach ihrem Handy, das eine sehnsuchtsvolle Melodie spielt. Dieselbe Melodie wird später zum Sinnbild des Leids.

Die Kamera als Erzähler jongliert aufregend mit Nähe und Distanz. Wir sehen und erleben die Protagonisten hautnah beim schwitzenden Nichtstun. Dann wieder verliert sich ein zentraler Streit wie beiläufig in einer Panoramaeinstellung mit Meeresbucht. Das ausdauernde Rattern der Züge vor dem Wohnhaus, das mit seiner messerscharfen Kante die Luft schneidet, beherrscht die Atmosphäre und läßt an Tarkowskis STALKER denken.

Ceylan hat den Punkt, an dem die Handlung die Figuren offenbart, bereits hinter sich gelassen und geht gleich zur Beobachtung der Seele über. In Cannes erhielt er dafür verdienterweise den Regiepreis.

Originaltitel: ÜC MAYMUN

Türkei/F/I 2008, 109 min
Verleih: Arsenal

Genre: Drama

Darsteller: Hatice Aslan, Ahmet Rifat Sungar, Yavuz Bingöl, Ercan Kesal

Regie: Nuri Bilge Ceylan

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...