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Ex Drummer

Sex, Gewalt und harter Punk - Ekelkino aus Belgien

Ein Mann spricht in die Kamera, als dokumentiere er seinen eigenen Untergang. Zivilisiert, ruhig, rauchend - ein Intellektueller, kein Zweifel. Dann packt er uns am Nacken und stößt uns, Nase voraus, mitten hinein in den Dreck, den Abschaum. Der Alptraum aus Gewalt, Sex und Punk beginnt mit einem Klingeln. Vor der Haustür des Schriftstellers Dries Vanhegen stehen drei Loser, kaputte Gestalten, deren Existenz die Gesellschaft gerne verschweigt. Sie sind Mitglieder der Punkband The Feminists.

Koen, der Sänger, schlägt gerne Frauen blutig, auch tot, wenn es sein muß - und es muß meistens sein. Wie ein Süchtiger holt er sich immer wieder neue Opfer in seine Wohnung, wo die roten Spritzer an der Wand von einer langen Tradition der Gewalt zeugen. Jan, der Gitarrist mit dem lahmen Arm, lebt noch bei seinen Eltern. Wenn er seine Mutter nicht gerade in Grund und Boden schreit, erniedrigt und bespuckt, dann schnallt er seinen Vater fest, der oben in eine Zwangsjacke ans Bett gefesselt ist. Ivan ist der Dritte im Bunde, verheiratet und Vater einer Tochter im Säuglingsalter. Auch hinter der Tür seiner völlig verwahrlosten Wohnung verbergen sich Abgründe. Seine Frau ist Alkoholikerin, er selbst kokst, und das Kind spielt in der Ecke mit Verpackungsmaterial.

Diese gescheiterten Existenzen - von Dries gern als Behinderte bezeichnet - stehen also vor der Tür seiner schicken Designerwohnung und bieten ihm die vakante Position des Drummers an. Die drei Figuren ekeln ihn an, seine Freundin blickt verächtlich auf sie herab, und sein Schlagzeugspiel ist viel zu gut für eine schäbige Drei-Akkorde-Punkband. Aber mit einer Mischung aus Faszination für die Abgründe menschlichen Daseins und beruflicher Neugier nimmt er ihr Angebot an, um für ein neues Buch zu recherchieren.

Es beginnt eine Reise in die Niederungen der Gesellschaft. Mit Prügel, Drohungen und impulsiven Ausbrüchen festigt er seine Position in der Band, die zu seiner Überraschung erstaunlich talentiert ist. Er nimmt sich vor, zu dokumentieren, nicht einzugreifen. Manchmal macht ihm die Hilflosigkeit zu schaffen, besonders wenn er Ivans Wohnung verläßt und ihn die Augen des Babys in den Flur verfolgen. Dann lenkt er sich mit einem Dreier daheim ab, oder hackt seinen Frust in die Tasten des Computers. Der erste und letzte Auftritt der Band bei einem Talentwettbewerb in Oostende rückt näher und damit Dries’ Chance, alle Beteiligten ihrer Erlösung entgegen zu führen.

Die endet selbstredend in einem Meer aus Blut und Kotze, dafür ebnet Regisseur Koen Mortier 100 Minuten lang den Weg. Vorher spielen aber noch einige Bands großartigen Punk-rock, der unter anderem von den belgischen Bands Ghinszu und Millionaire kommt. Überhaupt der Soundtrack: zwei ruhige Punkte im Bilderrausch sind für Mogwai reserviert, die nervösen Bandmomente gehören Devo, und mit dem unheilvollen Dröhnen von Isis fahren wir in den Abgrund. Gepaart mit außergewöhnlichen Kameraideen, wo Fahrräder rückwärts fahren und Menschen förmlich an die Decke gehen, ist EX DRUMMER purer Punkrock: schnell, hart, extrem und verdammt lebendig.

Originaltitel: EX DRUMMER

Belgien 2007, 104 min
Verleih: Legend

Genre: Drama, Musik, Schräg

Darsteller: Dries Vanhegen, Norman Baert, Sam Louwyck, Gunter Lamoot

Regie: Koen Mortier

Kinostart: 22.11.07

[ Lars Tunçay ]