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Zimt und Koriander

Zuckrige Bildgeschichte

Der Film ist strukturiert wie ein kulinarisches Menü: Nach einer kurzen Vorbereitung - der Besorgung der Zutaten - gilt es zunächst, die Kindheit des griechischen Astro-Physikers Fanis zu entdecken - als Vorspeise.

Geboren in Istanbul, verbringt der Junge seine Tage im Krämerladen des Großvaters, der ihm unvergeßliche Lektionen erteilt. Er vermittelt dem Enkel nicht nur das Wissen über Kräuter, sondern erklärt ihm ebenso Zusammenhänge zwischen diversen Zutaten, dem Leben und dem Universum. Nach der Zypernkrise beginnen1964 die Vertreibungen der Griechen aus Istanbul, und die glückliche Kindheit endet abrupt. Die Familie zieht nach Athen, der türkische Großvater und Fanis’ Jugendliebe Saime bleiben zurück. Zeit für den Hauptgang: die Schwierigkeiten des neuen Lebens in Griechenland. Mit der Nachspeise besucht Fanis als Erwachsener das heutige Istanbul, wo er auch Saime wieder trifft ...

Regisseur Tassos Boulmetis tischt dem Zuschauer reichlich auf: märchenhafte Zeitsprünge, opulente Bilder sowie einen roten Regenschirm im Universum als Attribut der Liebe und surreales Signet. Die gemächlich erzählte Geschichte ist dem Regisseur Herzensangelegenheit, trägt sie doch autobiographische Züge. Der unbedingte, aber unentschiedene Stilwille macht den Film allerdings zu einem schwülstigen Griechischen Allerlei, bei dem Boulmetis im Gegensatz zu seinem Protagonisten die Lektionen in Sachen Gewürz außer acht läßt.

So zuckersüß die Kindheit Fanis’, so gallenbitter ist die Vertreibung der Familie durch die Türken. Mit der Hauptspeise verflüchtigt sich der zunächst leise Humor (spätestens mit einem explodierenden Dampfkochtopf), und die Dramaturgie ist so weichgekocht, daß die Protagonisten plötzlich anfangen, englisch zu sprechen. Die Arbeit des Regisseurs mutet wie der Versuch eines unsicheren Kochs an, nachzuwürzen, während die Gäste schon essen. Die Filmmusik ist dabei der Zuckerguß auf dem Gesamtmenü, und von den reichlich schmackhaft-interessanten Zutaten und einer schönen Idee bleibt am Ende nur eine Ahnung.

Leichtverdauliche Filmkost ist diese romantische Komödie allemal, wer größeren Appetit verspürt, wird sich woanders um Nachschlag bemühen müssen.

Originaltitel: POLITIKI KOUZINA

Griechenland/Türkei 2003, 108 min
Verleih: Alamode

Genre: Komödie, Romantik, Liebe

Darsteller: George Corraface, Ieroklis Michailidis

Regie: Tassos Boulmetis

Kinostart: 28.04.05

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.