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00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse

Der Meister des Meta-Nonsens kombiniert wieder

Eigentlich gibt es nur zwei: Loriot und Helge. Ja, ja, die Lachpolizei der Humorpuristen winkt schon ab, weil nicht sein darf, was nicht sein kann. Schmarren, lacht ruhig weiter unter der Kellertreppe, mir fallen wirklich keine besseren, wenn auch in der Methodik so verschiedene Beobachter unserer Marotten, Ticks und Unzulänglichkeiten ein. Loriot ist seiner Freundin Evelyn nach ihrem schlechten Timing in den Zwerchfellhimmel gefolgt, Helge ist noch da. Und wie! Und gottlob! Denn das muß man sagen – die Welt ohne Helge wäre eine ärmere, eine schlechtere sowieso.

Gerade heutzutage braucht es eine Type wie 00 Schneider, um diese ausgeleierte Welt wieder in ihre Angeln zu wuchten. Dabei geht noch immer Stil vor Effizienz. Allein der curryfarbene Ledermantel des Kommissars ist die Kinokarte wert, außerdem unterliegt in der Schneiderwelt doch alles und nix dem Zufall. Da korrespondiert der apricotfarbene Spitz Zorro mit der Klamottage des knallharten Ermittlers, besticht das Ausformulieren durchaus anstrengender Tätigkeiten à la „Ich kombiniere ...“, und selbst die Abfolge seiner wahrlich kniffligen Fälle unterliegt einer akribisch durchdachten Chronologie. Nach dem Dingfestmachen (so heißt das hier eben noch) eines Sexferkels, eines Popograbschers, eines lupenreinen Sittenstrolches mengt sich Schneider unter die Hühnerdiebe, Gladiolengärtner und Zigarettenklauer, um sich neben seinem mörderischen und in absurder Sequenz abgehandelten Zahnschmerz einem ganz schweren Kaliber zu widmen: der Eidechse. Dahinter verbirgt sich kein Geringerer als der seines ätzenden Sputums wegen so gefürchtete Jean-Claude Pillemann, dessen schuppenkriechtierartige Geschmeidigkeit gewiß einen Vorsprung verschaffen dürfte, aber gegen die tadellose Ermittlungsarbeit eines 00 Schneider ist der gemeinste Schurke machtlos ...

Wer wegen seriöser Geschichten allein ins Kino findet, dürfte schluchzen, ein Mißverständnis sicherlich. Alle wahren Helge-Afficionados hingegen jubilieren. Allein die zeitlose Kulisse des Ruhrpotts, in der das Leben mit ganz eigenen Tempi zu funktionieren scheint. Denn mit Verlaub – selbst wenn Helge in Dirty-Harry-Manier auf eine gewisse Action setzt, bei jeder „Verfolgungsjagd“ mit dieser altersschönen Citroën-Göttin denkt man sich: Da hätte man auch laufen können. Es ist wieder alles dabei: schwindelerregende Wortakrobatik, skurrile Randfiguren, ein kosmopolitischer Brückenschlag zwischen Mühlheim an der Ruhr und spanischen Gefilden, knieerweichende Tanz- und Gesangseinlagen des Großmeisters und jede Menge brüllkomische Momente.

Ein Klassiker dürfte die Interviewsequenz werden, in der der Kommissar einer britischen Journalistentunte mit schlecht sitzendem Kopfpudel aus seinen Memoiren zitiert. Ein intervallierendes Klangerlebnis – durch den saublöden Effekt einer Sitzmuschel. Noch kurz zu den Memoiren: Allein mit welcher Eleganz Schneider das Wort „Memoiren“ durchdiphthongiert – herrlich! Und überhaupt: Eine Ermittlerlegende erinnert sich, schreibt nieder, denn auch so einer wird älter. Und da schleicht sich in Schneiders neuestes Werk ein bisher unbekannter Zug, eine gewisse Melancholie. Die überträgt sich auf den Zuschauer, der sich doch gern daran erinnert, wie schön es damals war, als Helge mit dem seligen Andreas Kunze noch eine Mutter hatte. Diese zarte Nachdenklichkeit steht dem Film sehr gut, und zur Beruhigung aller, die gleich die Spaßbremse wittern: Helge ist und bleibt auch und gerade mit diesem Film der unschlagbare Guru des Meta-Nonsens.

D 2013, 96 min
FSK 6
Verleih: Senator

Genre: Komödie, Krimi, Schräg

Darsteller: Helge Schneider, Rocko Schamoni

Regie: Helge Schneider, Andrea Schumacher

Kinostart: 10.10.13

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.