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Chennai Express

Verweigerung der Eigenständigkeit

Ja, der Rahul. 40 ist er, Vollwaise, als Zuckerbäcker kein Karrieretyp, Dauersingle und lebt bei seinen Großeltern. Doch plötzlich stirbt Opa. Rührendes Drama voraus? Aber nein, wir wollen lachen, weswegen Rahul einen geschickten Plan ersinnt, um Oma auszutricksen: Eigentlich soll Opas Asche an heiliger Stelle fern der Heimat verstreut werden, Rahul nun will nicht reisen und bucht den Chennai Express, um ortsnah zu bleiben.

Natürlich geht trotz sorgfältiger Vorbereitung alles schief, als Rahul auf Meena trifft. Die kann zauberhaft in Zeitlupe rennen und verschiedene Schnuten ziehen. Darauf erst mal ein Lied, mangels Beinfreiheit im Zug allerdings leider kein Tanz. Und Meena, Tochter des lokalen Mafiabosses, soll heiraten, einen dieser Muskelberge Marke „Haariges Ding.“ Will sie nicht, logisch. Von jetzt an heißt es ergo: gemeinsame Flucht, der Liebe entgegen.

Klar ist es schwierig, eine solch’ epische Story in nur 141 Minuten zu erzählen, daher bleibt grundsätzlich wenig Platz für Kleinwüchsigenwitze oder DER EXORZIST-mäßige Nachtverwandlungen Meenas in ein augenrollendes, trittstarkes Dämonenweib. Doch irgendwie hat’s das Team trotzdem geschafft, derlei Nebenspäße einzustreuen, wie man beeindruckt zur Kenntnis nimmt. Auch Indiens Superstar Shah Rukh Khan blüht regelrecht auf, mit Komik-Schauspiel aus der gnadenlosen Overactingschublade. Wir hingegen sitzen, vom baßlastigen Sound geschüttelt, dabei und freuen uns auf den nächsten Song.

Selbiger ist nämlich unter Garantie weit atmosphärischer und flairreicher als das klamottige Kasperletheater, jedes standardisierte Gebumm in den Actionszenen, alle triefigen Kitschattacken. Aufwendig schaut das zwar aus, zumal den Kameramann einige nette Ideen ereilen, billig bleibt’s dennoch. Weil es an individueller Handschrift mangelt, das Konglomerat selbst- und fremdzitierend auf Nummer sicher hinlänglich bekannte Zutaten aufwärmt, inklusive akustisch mahnend hervorgehobener Drehbuchpseudoweisheiten, welche – oft gehört – kaum Ausschläge der Hirnströme verursachen. Was erklären mag, weshalb CHENNAI EXPRESS weltweit bereits Rekorde brach: Massenkompatibilität zieht.

Die recht brachiale Gewalt gegen Ende bricht mit den bisherigen zwei Stunden, könnte eingelullte Zuschauer sogar schockieren. Wirkt indes, roh und wenigstens halbwegs ehrlich, wie eine Entschuldigung des Regisseurs.

Originaltitel: CHENNAI EXPRESS

Indien 2013, 141 min
FSK 12
Verleih: REM

Genre: Komödie, Action, Musik

Darsteller: Shah Rukh Khan, Deepika Padukone, Satyaraj

Regie: Rohit Shetty

Kinostart: 05.09.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...