Originaltitel: THE MOTHER

GB 2003, 112 min
Verleih: Concorde

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Anne Reid, Daniel Craig, Steven Mackintosh

Regie: Roger Michell

Kinostart: 09.10.03

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Die Mutter

Das obskure Objekt der Begierde

Die Uhren ticken hier ganz anders. Das kriegen May und Toots mit, als sie ihre Kinder im hektischen London besuchen. Sohnemann Bobby ist ein Workaholic, die ganze Zeit das Handy am Ohr, Tochter Paula ist völlig überfordert mit ihrem Haushalt, dem Kind und vor allem mit sich selbst. Auch ihr unsteter Lover Darren ist da keine Hilfe. Tagsüber verdingt er sich für Bobby als Heimtischler.

In diesem Chaos erliegt Toots einem Herzinfarkt, May steht von nun an ziemlich einsam in der Gegend rum. Doch sie will und kann sich nicht damit abfinden, zum alten Eisen zu gehören, allen auf die Nerven zu gehen und immer irgendwie irgendwem im Weg zu stehen. Ihren Wunsch, sich dem Schicksal entgegenzustellen, befördert der Umstand, daß sie sich wieder verliebt. In Darren.

Roger Michell fährt mehrgleisig in seiner beeindruckenden Geschichte, die auf solch krummen Wegen verläuft, wie sie nur das Leben vorgeben kann. Zum einen erzählt er in dezenten Bildern vom Wiederaufwachen der Sexualität im Alter, von einer ungewöhnlichen Beziehung zwischen Jung und Alt. Außerdem berichtet er in klarer Sprache von den Abgründen dieser Familie, die von Egoismus, Mißachtung und echter Kälte gezeichnet sind. Es geht um Schuldzuweisungen, um schwerwiegende und eigentlich irreparable Vorwürfe. Die Szene, in der Paula ihrer Mutter derb ins Gesicht schlägt, spricht Bände, und sie tut auch dem Zuschauer weh. Weil es nötig war. So weit muß man erst einmal kommen, wenn auch der tatsächliche Schritt dazu noch das leichteste scheinen mag.

Es ist faszinierend, wie es Michell gelungen ist, seinem Drama durchaus komische Züge zu verleihen, seine Geschichte fesselnd und interessant zu erzählen, obwohl keine der Figuren durchweg sympathisch sein kann. Auch wenn schnell klar ist, daß die stete May mit diesem Chaoten Darren nicht glücklich werden kann, geht es doch vielmehr um den Mut, sich zu verlieben, sich neu einzulassen. Das macht May nicht heldenhafter, aber es zeigt, daß Sex, Lust, pure Begierde und echte Liebe keine Frage des Alters oder gar des Altersabstandes ist.

Und wenn man Daniel Craig ohne Hemd auf der Handwerkerleiter sieht, dann kann man nur zu gut verstehen, daß das alte Blut wieder in Wallung kommt.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.