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Edelweißpiraten

Gut gemeintes Widerstandsdrama

Wie bewältigt man im Kino das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte, wie begegnet man cineastisch dem Dritten Reich? Mit Blick auf die unzähligen bereits unternommenen Versuche werden viele Möglichkeiten offenbar: explizite Darstellung der Greuel zum Beispiel. Oder intime Konzentration auf Einzelschicksale. Manchmal auch ein fast stiller Ansatz unter Ausblendung jeder graphischen Darstellung. Niko von Glasow versucht nun, alle Alternativen miteinander zu verbinden – und scheitert.

Man wird das Gefühl nicht los, daß er sich um jeden Preis von bereits vorhandenen Werken abheben wollte, dabei jedoch nur steinige neue Wege findet. Dies beginnt beim Handwerklichen: Die Kamera "enthemmt" zu nennen, wäre eine unzureichende Beschreibung ihres Bewegungsdrangs. Gepaart mit hektischen Schnitten, entsteht daraus eine den Zugang verwehrende, äußerliche Bilderflut, die höchstens für Kopfschmerzen sorgt. Auch in der Besetzung greift von Glasow böse daneben. Wie er im Interview versichert, hat ihn "Ärzte"-Barde Bela B. beim Vorsprechen durch "sein intensives Spiel" überzeugt, wovon auf der Leinwand allerdings nichts mehr zu spüren ist. Abgesehen von einer beeindruckenden Anna Thalbach versinken auch sämtliche anderen Darsteller im Mittelmaß.

Wie wenig die Geschichte um Karl und Peter – zwei Brüder, die einen verwundeten KZ-Häftling retten, als Mitglieder des Widerstandsbundes "Edelweißpiraten" von der Gestapo verfolgt und schließlich verhaftet werden – berührt, hat sich von Glasow aber selbst zuzuschreiben. Ihm gelingt es bloß höchst selten, Figuren zu entwickeln, Sympathien aufzubauen oder ein Zeitgemälde zu entwerfen. Stattdessen müssen dramaturgische Banalitäten, wie ein Off-Erzähler, herhalten, während die Handlung von Ereignis zu Ereignis eilt, ohne diese überzeugend zu verbinden. Kurz vor Schluß gibt es dann gar noch dekorative Schießereien, was angesichts der erwähnten formalen Mittel extrem unangenehm aufstößt. Soll das ein Antikriegs-Actionfilm sein?

Letztlich entnimmt man diesem mißglückten Beitrag zur geschichtlichen Aufarbeitung nicht viel mehr als das nebulöse Wissen um die Existenz der Edelweißpiraten. Was angesichts eines solch diffizilen Themas bei weitem nicht genug ist.

D 2005, 95 min
Verleih: 3Rosen

Genre: Historie, Drama, Action

Darsteller: Iwan Stebunov, Bela B. Felsenheimer, Jochen Nickel, Anna Thalbach

Regie: Niko von Glasow

Kinostart: 10.11.05

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...