Originaltitel: SOUVENIR

Belgien/Luxemburg/F 2016, 90 min
FSK 6
Verleih: Alamode

Genre: Tragikomödie, Musik

Darsteller: Isabelle Huppert, Kévin Azais, Johan Leysen

Regie: Bavo Defurne

Kinostart: 06.07.17

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Ein Chanson für Dich

Das späte Mädchen aus der Pastetenfabrik

Das geht raus an alle Layouter und Plakatentwerfer dieser Welt: Sollten Sie jemals mit der Maus über das Gesicht von Isabelle Huppert zu gleiten haben, üben Sie sich fortan bitte in Zurückhaltung! Excusez-moi, aber ihre Sechs als erste Alterszahl trägt die Huppert in natura mit Würde. Auch in den Filmen selbst wird sie eher dezent gepudert und gesalbt, für Poster und Flyer aber zwanghaft verjüngt. Das sah bei ELLE schon merkwürdig aus, jetzt bei EIN CHANSON FÜR DICH ist es gar albern.

Das war zart abgeschweift, stimmt! Zum Film wird noch genug geschrieben. Üppig viel gibt es nicht zu schreiben. Es ist eine vergnügliche, in der Handlung gedimmte, auf zärtliche Weise nostalgische Komödie mit einer charmanten Grundidee. Regisseur Bafo Defurne hatte sich schon lange gefragt, was wohl aus den Nicht-Gewinnern beim Eurovision Song Contest wird. Aus Liliane beispielsweise, die 1974 hinter ABBA den zweiten Platz belegt hat. Damals nannte sie sich Laura und verschwand als Phönix in der Asche. Amüsant ist, daß es diese Laura nie gegeben, ja, daß Frankreich in diesem Jahrgang überhaupt nicht am Wettbewerb teilgenommen hat, da Präsident Pompidou kurz zuvor gestorben war.

Im Film arbeitet Liliane in einer Pastetenfabrik, legt Lorbeerblätter auf Fleischbatzen und versucht dabei, möglichst filigran zu sein. Morgens schaut sie auf besondere Art in den Spiegel, so, als würde sie danach noch immer auf die Bretter steigen. Tagsüber wirkt sie im weißen Häubchen adrett, abends schaut sie Quiz und nimmt die Luft aus dem Schnapsglas. In ihrer Ernüchterung wirkt Liliane gefaßt.

Bis Jean kommt. Der 22jährige Boxer ist zur Aushilfe am Pastetenofen und erkennt in Liliane die Laura von einst, mußte er doch jahrelang das väterliche Anhimmeln der Chanteuse ertragen. Doch Jean sieht in Laura auch Liliane, verliebt sich linkisch, holt sie auf die, nun ja, Bühne zurück – und wird ihr Partner und fürs „Comeback“ ihr Manager.

Klingt für einen Huppert-Film etwas schwach in der Brustgegend? Ist es auch! Aber in Wort, Musik, Ausstattung und Szenerie ist EIN CHANSON FÜR DICH so konsequent als Märchen angelegt, so behutsam neben allen Realismus gesetzt, daß es einfach nur nett ist, Isabelle Huppert zwischen Verhoeven und Haneke Luft holen zu sehen. Wie sie „singt“ und vor dem Mikro „performt“, könnte glatt als Eurovision-Vorausscheid-Kommentar durchgehen.

[ Andreas Körner ]