Originaltitel: LES INVINCIBLES

F 2013, 99 min
FSK 6
Verleih: Universum

Genre: Komödie

Darsteller: Gérard Depardieu, Atmen Kalif

Regie: Frédéric Berthe

Kinostart: 03.07.14

2 Bewertungen

Eine ganz ruhige Kugel

Die Freundschaft, die Liebe und das Spiel

Nein, der Titel bezieht sich nicht auf den beleibten Hauptdarsteller, mit schlechten Kalauern hat’s der hochsympathische Film von Frédéric Berthe ohnehin nicht. Sein Humor ist stiller, dafür umso – um im Bild zu bleiben – trefflicher. Und zum Hauptdarsteller Dépardieu – der gibt alles andere als eine ruhige Kugel, die Schulden stehen seiner Figur Jacky bis zum Hals, die Frau wird ungeduldig, fühlt sich zu wenig geliebt, kein Wunder also, daß der erste Satz aus dem Mund des leidenschaftlichen Pétanque-Spielers jener ist: „Konzentrier’ Dich, verdammte Scheiße!“ Denn es geht um viel – bei Jacky um seine Ehe und ums Schuldentilgen, bei Momo, den er derart anherrscht, um eine andere Zukunft als das von seiner dominanten Mutter angetragene Betreiben eines arabischen Supermarktes, weswegen Jacky und sein Zögling Momo beim Boule, wie das Spiel mit den Kugeln gebräuchlicher heißt, jede Gelegenheit nutzen, um ahnungslosen Mitspielern das Geld aus den Taschen zu tricksen. Verloren, geblufft, Scheine geschnappt und ab ...

Letztendlich lassen sich mit solch’ charmanter Gaunerei nur Peanuts verdienen, deswegen wittern Momo und Jacky ihre Chance, als der Großkotz Darcy einen internationalen Boule-Wettbewerb organisiert, eine Nationalmannschaft zusammen- und eine halbe Mille als Preisgeld in Aussicht stellt. Doch Momo hat es schwer bei Trainer René, der den eigenen Sohn protegiert und mit rassistischen Keulenschlägen kaum geizt. Während Momo sich durchboxt mit der Hilfe von Darcys charmanter Allzweckwaffe Caroline, auf einer Bouletour Erfolge feiert und die Herzen der Landsleute erobert, gerät Jacky, der ewige Verlierer, ins Hintertreffen. Die Schuldeneintreiber werden unerbittlicher, Jackys Frau packt die Koffer, die Freundschaft zwischen dem alten Dicken und dem aufsteigenden Star scheint verschüttet. Doch da René um keine Intrige verlegen ist, schlägt bald Jackys Stunde, als man Momo des Landes verweist. Nach Algerien. Momos Heimat, die er als in Frankreich Geborener kaum kennt.

Natürlich ist manches in der Geschichte durchschaubar, doch darum geht es nicht: Mit welcher Chuzpe, mit welchem Gewieftsein und vor allem welcher Spielfreude seiner Hauptakteure Berthe diese Geschichte erzählt, hat schon enorm viel Einnehmendes. EINE ZIEMLICH RUHIGE KUGEL erzählt aus dem Milieu der einfachen Männer, es geht um wahre und falsche Freunde, ein Leben auf dem Abstellgleis und außerdem um das Erkennen eigener Wurzeln und um ein gesünderes Selbstwertgefühl. Ganz nebenher wird vom Stumpfsinn der Reichen erzählt, die noch in der abgefahrensten Sport- und Spielart die goldene Eier legende Gans wittern – und dafür gottlob auch mal auf die Fresse fallen. Daß zudem die Liebe an die Tür regelrecht wummert, gehört zu den Genreregeln.

Die Wucht des Films – ja, wortwörtlich – ist natürlich Depardieu. Wie so oft gehört das hellblaue Unterhemd über dem mächtigen Bauch dazu, der schlurfende Gang, die proletenhafte Art und eben auch diese unbeschreibliche Verletzlichkeit, die nur einer so spielen kann. Außerdem: im Planschbecken der Realsatire anzusiedelnde Äußerungen von Depardieus Figur Jacky. Zu Beginn des Films meinte er noch: „Ich gehe nicht weg, ich bin hier zu Hause“, da muß man in Kenntnis aktueller Wohnsitzwechsel schon schwer schmunzeln, bauchhaltend witzig gerät es, wenn Jacky die algerische Staatsbürgerschaft beantragt. Natürlich, weil er das Land liebt, weil er sich als Algerier fühlt ... Herrlich!

Und schließich darf der märchenhafte Schluß sogar als späte Wiedergutmachung zwischen den einstigen Kriegsnationen Frankreich und Algerien gelten. Augenzwinkernd, bien sûr!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.