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Eltern

Alltäglicher Wahnsinn im Bermuda-Dreieck

Robert Thalheim ist ein Meister der genauen Beobachtung – ihn interessieren keine spektakuläre Plots, sondern der Alltag normaler Menschen. Menschen wie Christine und Konrad, die – wie viele andere auch – mit Ende 30 gerade dabei sind, sich im „Bermuda-Dreieck“ zwischen Kindern, Beziehung und Beruf zu verlieren. Dabei haben die beiden ganz bewußt versucht, alles anders und natürlich besser zu machen und die Entscheidung getroffen, ihr Leben nicht innerhalb der althergebrachten Klischees zu führen: Christine ernährt als Ärztin die Familie, während Konrad, eigentlich Regisseur am Theater, sich seit elf Jahren mit viel Humor darum kümmert, „ ... daß der Laden zu Hause läuft.“ Während andere Mütter angesichts dieser eingespielten Rollenverteilung neidisch werden, merkt Christine immer wieder genau, daß auch diese Lösung ihren Preis hat, wenn ihre Töchter Käthe (11) und Emma (5) ihr deutlich zu verstehen geben, daß Papa der Beste ist. Aber auch Papa merkt, daß ihm irgend etwas fehlt. Ihm reicht der Applaus der Kinder irgendwann nicht mehr aus – er sehnt sich zurück ans Theater.

Thalheim, selbst vor kurzem Vater geworden, interessierte die Frage, wie es eigentlich weitergeht, wenn Menschen in die Lebensform Familie hineinschlittern, die für ihr Leben auch eine ganze Reihe anderer Pläne hatten. Schnell wird klar, daß sich die verschiedenen Interessen im schlechtesten Fall im Weg stehen: die Karriere dem Familienleben, die quengelnden Kleinen dem Liebeslieben und die Egos der Eltern der Sorge um die Entwicklung der Kinder. Tatsächlich drehen sich die familiären Verteilungskämpfe gar nicht so oft um das letzte Eis im Kühlschrank, sondern um Zeit und Rückhalt: Wer ist wann für wen da? Wer übernimmt Verantwortung und hält dem Anderen den Rücken frei? Wer darf sogar einfach das tun, was er gerade will?

Thalheim verknüpft bewußt komödiantische Elemente mit ernsten Passagen und schafft so einen Film mit Tiefgang, der einem immer wieder alberne Lacher entlockt. Es ist ein Genuß, Christiane Paul, die auch im wahren Leben den Spagat zwischen ihrer Arbeit als Ärztin und Schauspielerin und dem Leben als Mutter zweier Kinder bestens kennt, und Charly Hübner, der mit diesem Film nachdrücklich zeigt, daß er nicht nur TV und Bühne prägen kann, sondern auch die Leinwand bestens ausfüllt, zuzusehen. Treffender wurde die Quadratur des Kreises lange nicht mehr ins Bild gesetzt: Also Babysitter buchen und mal wieder ins Kino gehen!

D 2013, 100 min
FSK 0
Verleih: DCM

Genre: Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Christiane Paul, Charly Hübner

Regie: Robert Thalheim

Kinostart: 14.11.13

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.