Originaltitel: HELEN

D/USA 2008, 119 min
FSK 12
Verleih: Warner

Genre: Drama

Darsteller: Ashley Judd, Goran Visnjic, Lauren Lee Smith

Regie: Sandra Nettelbeck

Kinostart: 26.11.09

3 Bewertungen

Helen

Geschichte einer Depression zwischen Psychostudie und Melodram

Das Glück des wohltemperierten Lebens. HELEN eröffnet mit der Szenerie einer Geburtstagsparty. Kultivierte Menschen, Künstler und Akademiker, versammelt in einem weitläufigen Haus. Alles atmet hier Gediegenheit, ein In-sich-ruhen. Auch wenn gelacht wird, schlägt nichts aus dem beruhigenden Gleichmaß heraus. Helen, wegen der alle hier sind, bekommt von ihrem Ehemann David einen Flügel geschenkt. Fast schwebend bewegt sich Helen. Ihr Lächeln ist warm. Und wenn sie Klavier spielt, merkt man die Kraft in dieser zarten Frau. Man sieht das Glück des wohltemperierten Lebens. Und ahnt, ganz zaghaft erst, dessen Fragilität. Doch die verhaltenen Dissonanzen, mit denen HELEN beginnt, reißen auf zum Abgrund.

Und der hat in Sandra Nettelbecks Film einen ganz konkreten Namen: Depression. In diese fällt die Titelheldin. Und Nettelbeck zeigt diesen Sturz und den Aufschlag. Zeigt die Qual, die es bedeutet, gegen das übermächtige Bedürfnis, einfach liegen zu bleiben und aufzuhören, anzukämpfen. Welch unmenschliche Energie es fordert, sich den Wunsch einfach zu sterbennicht zu erfüllen. HELEN arbeitet akkurat den Krankheitsverlauf einer Depression ab. Spart nichts aus, verschönt nicht. Das ist intensiv, auch mutig. Und man spürt das Herzblut. Hat Nettelbeck ihren Film doch einer Freundin zugeeignet, die an ihrer Depression zerbrach und sich das Leben nahm.

Nettelbeck hat viele Jahre für diesen Film gekämpft. Das heißt, vorrangig um Finanzierung gerungen, für ein Projekt, das Produzenten nicht von ungefähr als Kassengift empfinden mußten. Es wäre interessant zu wissen, welcher Art die Kompromisse waren, die Nettelbeck eingehen mußte, um diese Geschichte zu realisieren. Damit kein Mißverständnis aufkommt: HELEN ist ein gelungener Film. Zugleich aber ist er das auf eine Art, der man ein Mit-sich-selbst-ringen anzumerken scheint. Da ist ein leises dramaturgisches Zittern. Wie eine Skepsis gegen die eigene Form, die zwischen Psycho- und Melodrama changiert und im Zweifelsfalle das genaue und schonungslose Erkunden eines Seelendunkels mit erzählerischen Konventionen aufhellt, die auf breiter gefächerte Konsumierbarkeit zielen.

Man könnte das als Kritikpunkt gegen HELEN vorbringen. Nur griffe das zu kurz. Testet Nettelbeck, gezwungenermaßen oder nicht, doch etwas recht Spannendes: Wie weit nämlich sich der Erzählhabitus des „Mainstream“ auf ein Sujet anwenden läßt, das sich diesem eigentlich entzieht.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.