D 2018, 85 min
FSK 0
Verleih: Rise And Shine Cinema

Genre: Dokumentation

Regie: Isa Willinger

Kinostart: 07.03.19

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Hi, A.I.

Neue Nachbarn

Harmony hat lange blonde Haare, ein zartes, schönes Gesicht und wohlgeformte Brüste. Sie hält leichte Konversation, sagt Sätze wie: „Ich sehe Dich gern glücklich“, und sie hat durchweg ein Lächeln auf den knallroten Lippen. Im Grunde ist Harmony ein perfekter Zeitgenosse – aus Männersicht jedenfalls. Es gibt nur zwei Probleme: Harmony kann nicht laufen, und manchmal antwortet sie Quatsch, wenn der Computer in ihrem Kopf den Sinn der Worte nicht richtig verstanden hat. Harmony ist eine Puppe, sieht aber aus wie ein Mensch, eine Art Pamela-Anderson-Verschnitt, der Typ Frau, von dem manche Männer träumen, und der in der Realität nur sehr selten vorkommt.

Was heute nicht mehr schlimm ist, denn die Technik – so zeigt Isa Willingers Dokumentarfilm – macht es möglich, sich das Leben ein bißchen zurechtzubiegen. Dann können auch einsame und gebeutelte Amerikaner wie Chuck, der mit seinem Wohnmobil durch die USA streift, ihr Glück finden. Je nachdem, wie man Glück definiert. Er suchte die Liebe und kaufte sich Harmony – ein Lebensmodell, was bald nicht mehr im Bereich der Exotik angesiedelt sein wird, so sagen Wissenschaftler im Film. Und sie haben damit erst mal kein Problem: „Wir haben Angst, daß Roboter uns Menschen ersetzen. Es gibt viel Spekulation, aber keine Beweise.“

Willinger begleitet diese Maschinenwesen, besucht sie in den Fabriken, in denen sie gebaut werden, und die Orte, an denen sie dann ein neues Zuhause finden und sich zum Teil in menschlichem Antlitz in die Gesellschaft integrieren – zum Beispiel als Hotelpagen, fliegende Luftballons oder kleine Jungs mit weißem Plastikgesicht, um der Oma die Zeit zu vertreiben, wenn die Kinder nicht im Haus sind. Wie wird unsere Zukunft aussehen, wenn wir nicht mehr mit anderen reden müssen oder komplizierten Paarbeziehungen ausweichen, weil unser künstliches Gegenüber willig und ohne Widersprüche ist? Willinger hat sich hier eines aktuellen Themas angenommen. Sie gibt eine Vorahnung darauf, wie sich das anfühlt, plötzlich mit Maschinen das Leben teilen und nicht mehr mit Menschen. Das macht neugierig und befremdet.

Der Film ist am Ende so undurchsichtig wie die Zukunft selbst. Man weiß eben nicht, ob die Bilder nun echt oder inszeniert sind. Die Einstellungen sind perfekt komponiert, da wackelt nichts, die Protagonisten reden und bewegen sich, als hätten sie ihre Rolle einstudiert, genau wie die Maschinen. Ästhetik und Inhalt verschmelzen in HI, A.I. auf stilvolle Weise – das ist höchst spannend und gleichzeitig bedrohlich.

[ Claudia Euen ]