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It Might Get Loud

Gitarrengötter ohne Bodenhaftung

Davis Guggenheim, der uns in seinem letzen ­Kinofilm EINE UNBEQUEME WAHRHEIT noch über das Phänomen der globalen Erwärmung aufzuklären suchte, huldigt in seiner Rockdokumentation IT MIGHT GET LOUD ganz un­pädagogisch der elektrischen Gitarre. Dazu begleitet er drei Saitengötter und läßt sie zum Schluß zu einer Jamsession aufeinandertreffen: Jimmy Page – einst bei Led Zeppelin, The Edge – Soundtüftler bei U2, und schließlich Jack White – Frontmann der White Stripes und Raconteurs, der Großmäuligste, aber auch Unterhaltsamste der Runde. Trotz dieses Protagonistentrios gestandener Rockstars fehlt dem Film allerdings das, was guten Rock’N’Roll letztendlich ausmacht: Ecken und Kanten, etwas, woran man sich reiben kann. Denn wie schon in seiner Al-Gore-Show vor drei Jahren gestaltet der Filmemacher sein Werk so makellos glatt, daß irgendwie nicht so richtig etwas hängen bleiben will.

Dabei fängt es vielversprechend an, Guggenheims Loblied auf das krachige Instrument: Jack White bastelt vor ländlicher Kulisse aus einer Zaunslatte, einer Coke-Flasche, ein paar Nägeln und Faden eine rudimentäre Gitarre und schrammelt drauflos. Eine Szene, die heraussticht, so arrangiert sie auch daherkommen mag, denn sie erzählt mehr als das Augenscheinliche, läßt White in einer interessanten Mischung aus Kindlichkeit und eitler Selbstinszenierung aufleuchten. In den folgenden 90 Minuten sind sie zu selten, jene Momente, die hinter eine Fassade blicken lassen, die etwas Besonderes, etwas Wahres offenbaren, wie es eine Rock-Doku im Idealfall schaffen kann – siehe GIMME SHELTER oder DON’T LOOK BACK. Rückblicke auf das Schaffen der großen Drei, Interviews über ihre Vorlieben, Spielphilosophien und schließlich die erwähnte finale Jamsession – all das erreicht kaum wieder die Mehrdimensionalität der ersten Minuten.

Man sieht diesen Rockvirtuosen gern zu, keine Frage. Aber Guggenheim schafft es nie, seine Rockgötter einmal vom Thron zu holen, sie die Masken für mehr als einen Moment abnehmen zu lassen. Für eingefleischte Fans der Musiker mag das Geplänkel und Gejamme der Ikonen und die perfekte Soundmischung genug sein, um Genuß für einen Kinoabend daraus zu ziehen. Für den Rest gilt wohl, was andere Rockgrößen einmal folgendermaßen auf den Punkt brachten: „I Can’t Get No Satisfaction.“

Originaltitel: IT MIGHT GET LOUD

USA 2008, 97 min
FSK 6
Verleih: Arsenal

Genre: Dokumentation, Musik

Darsteller: Jimmy Page, Jack White, The Edge

Regie: Davis Guggenheim

Kinostart: 03.09.09

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...