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Jeder Tag ist ein Fest

Der Traum in der Wüste

Ein Ausflug in die Wüste schreit nach ungewöhnlichen Visionen, man denke nur an Antonionis ZABRISKIE POINT. Eine visionäre Reise ins Innere ihrer drei Protagonistinnen oder vielleicht sogar ins kollektive Unbewußtsein des Libanon, doch darüber läßt sich nur spekulieren, hat offenbar auch Dima E-Horr für ihren Debütfilm vorgeschwebt.

In die Wüste schickt sie einen Bus voll Frauen, auf dem Weg von Beirut zu ihren Männern im drei Stunden entfernten Männergefängnis. Der Bus kommt nicht an, denn der einzige männliche Insasse, der Busfahrer, wird unterwegs wie aus dem Nichts erschossen. Aus der Karawane, die nun zu Fuß durch die Einöde zieht, finden sich drei Frauen, die offenbar unterschiedliche Charaktere und Herkünfte verkörpern sollen, zu einer Zweckgemeinschaft zusammen. Die erste will von ihrem Mann die Scheidungspapiere unterschrieben haben. Die zweite hat ihren Mann seit ihrer Hochzeit – und anschließender Festnahme – nicht gesehen. Die dritte, gespielt von Hiam Abbas (LEMON TREE), steckt voller Ängste und Aggressionen und soll ihrem Gatten, einem Gefängniswärter, seine zu Hause vergessene Pistole liefern.

Träume mit wiederkehrenden Motiven begleiten die drei Frauen auf ihrem Weg durch ein bedrohlich wirkendes Land, in einer Welt, in der die Männer entweder im Gefängnis sitzen oder Wärter sind. Doch auch die Handlung landet alsbald ganz und gar im Surrealen. Ströme von Flüchtlingen ziehen wie Schafherden stillschweigend durchs Bild. Warum sie fliehen, bleibt ungewiß. Eine Erinnerung an Bürgerkriege und an unter der dünnen Decke der libanesischen Zivilgesellschaft brodelnde Konflikte vermutlich.

Auch die Traumata der drei Frauen, die sie offenbar erlitten haben, und von denen es sich zu befreien gilt, bleiben ziemlich vage. Die Wüstenträume sind optisch beeindruckend gestaltet, hier sieht man vor allem den Willen zu einer ganz eigenen Bildsprache. Ist man am Anfang noch geblendet von der Präzision der langen Kamerafahrten und der menschlichen Choreografien im Hintergrund, verliebt sich die Kamera zunehmend in sich selbst und verliert komplett den Bezug zur Handlung. Der Film verläuft sich in der schönen Wüstenkulisse.

So sehr man den Mut zu einer nichtrealistischen und symbolischen Filmerzählung auch loben mag, es hilft nichts, wenn kein Boden da ist, auf dem das visionäre Bild blühen kann.

Originaltitel: CHAQUE JOUR EST UNE FÊTE

Libanon/F/D 2009, 80 min
Verleih: EZEF

Genre: Drama, Roadmovie

Darsteller: Hiam Abbass, Manal Khader, Raïa Haïdar

Regie: Dima E-Horr

Kinostart: 26.01.12

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...