Originaltitel: LA GOMERA

Rumänien/F/D 2019, 98 min
FSK 16
Verleih: Alamode

Genre: Thriller

Darsteller: Vlad Ivanov, Catrinel Marlon, Rodica Lazar, Sabin Tambrea

Regie: Corneliu Porumboiu

Kinostart: 13.02.20

4 Bewertungen

La Gomera

Das Sterben, ein Pfeifen

Um sich von (zu viel) Geld den aufrechten Charakter verderben zu lassen, benötigt man zwingend einen solchen – mit Blick aufs Personal dieser Geschichte sind durchaus massive Zweifel angebracht. Da wäre zunächst Cristi, ein schmerzlich gestrauchelter und nunmehr korrupter Polizist, der nach La Gomera kam und dort Gilda trifft. Die heißt nicht bloß wie eine Verführerin des Film noir, sondern sieht auch wirklich genauso aus, eine vollendete Femme fatale, verhüllt den Körper gern standesgemäß rot und setzt ihn hemmungslos dafür ein, Freund Zsolt aus dem Knast zu holen.

Jener weiß allein, wo sich die Beute aus einem Raubzug (30 Millionen Euro) befindet. Cristis Vorgesetzte Magda, im richtigen Licht flammend rothaarig und allgemein eine auf ziemlich heißen Pfaden wandelnde Natur, ahnt längst einiges und läßt ihn permanent überwachen. Daß außerdem Mafioso Paco seine Hände an der schmutzigen Kohle noch schwärzer färben mag, und Cristi zwecks Täuschung der echten Gesetzeshüter zur Kommunikation eine spezielle Pfeifsprache erlernen muß, macht die Sache kaum leichter …

Wenn jetzt quasi jeder jeden erst mißtrauisch beäugt und dann kalt betrügt, sich in zu Kapiteln verdichteten Rückblenden Perspektiven verschieben, neue Informationen ungeahnte Blickwinkel öffnen, hat es wenig Sinn, das fast krankhaft wuchernde Beziehungs- und Loyalitätsgeflecht rational aufzudröseln. Bei entsprechend ausgeprägtem Hang darf man alternativ einfach genießen: wunderbar stylishe Bilder. Doppelte, dreifache Böden, ausschließlich zum sicheren Brechen notdürftig zusammengezimmert. Die ins Kinodunkel gleißende Sonne, trotzdem selten dazu angetan, für Erhellung und Wärme zu sorgen. Ein Potpourri ewiger Gassenhauer aus der Klassik-Ecke, vom Radetzky-Marsch bis hin zur Carmina Burana. Optional nehmen Mutige die Spiel-Einladung indes an, geben den verschachtelten Verlockungen bewußt nach, tauchen als temporärer Teil des Ganzen hinab in inszenierte Abgründe, erfahnden Geheimnisse, prophezeien versuchsweise künftige Enthüllungen.

So oder so, hier wird keine simple Story durch Überbauten und Unterlagen dermaßen quälend aufgebläht, daß sie auf Nimmerwiedersehen(wollen) ins lauwarm-bedeutungslose Nichts zerplatzt; Regisseur Corneliu Porumboius siedend temperierter und Herzschlagtempo zur Erzählgeschwindigkeit erklärender Kinogeschichtsritt umrundet ungeachtet jeglicher unübersehbarer Verbeugung vor allerhand Filmklassikern die billige Kopie, treibt originäre Blüten, aus denen betörende Aromen duften. Porumboiu malt seinen humanen Abgesang in komponierten Figurentableaus, tollen Kamerafahrten, zwar schrecklich düsteren, doch stets erlesenen Farben ästhetischer Schönheit. Welche sich selbst in einem krassen Kehlenschnitt manifestiert, gemeinsam mit Blut und Leben aus einem Menschenleib fließt. Nicht der einzige Tod, für Millionärsstatus geht mancher über Leichen, in Spitzen erstaunliche Härte ist die logische Konsequenz, eine überaus spannend interpretierte Version der Moritat von Mackie Messer bringt’s deutlich zu Gehör und auf einen exakt zwischen die Augen zielenden Punkt: Böse Buben haben Messer, nie von irgendwas gewußt, aber immer einen Preis.

Das gereicht geeignete Locations suchenden Filmemachern schon mal zum letalen Nachteil – eine grandios montierte Szene, ein Lehrstück fieser Lässigkeit und furios hinterlistiger Komik; versucht nur (erfolglos), moralisch entsetzt nicht zu lachen!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...