D/Belgien 2018, 130 min
FSK 6
Verleih: Wild Bunch

Genre: Drama

Darsteller: Lars Eidinger, Robert Stadlober, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Joachim Król, Claudia Michelsen

Regie: Joachim A. Lang

Kinostart: 13.09.18

7 Bewertungen

Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm

Heiteres Singspiel für Brechtianer und andere Amüsierwillige

Diese aufwendig gestylte Großproduktion wird einem mit ein paar Reinlichkeitsfloskeln an die Hand gegeben, etwa als „entstaubt“ oder „frisch“ und „frech.“ Sie gehören zu einem Kritikerjargon, der durchaus auch zu Hans-Albers-, Heinz-Rühmann- oder Jenny-Jugo-Filmen gepaßt hätte, also in eine Zeit der eisernen ideologischen Besen, mit denen Hitler und seine Helfer Deutschland und die restliche Welt auszufegen sich anschickten, während es auf den Kinoleinwänden von „sauberen Mädels“ und „anständigen Kerlen“ nur so wimmelte. Bertolt Brecht, der freie Theater-Radikale der Vor-Hitler-Ära und sendungsbewußte Nachkriegsmodelleur einer „epischen“ Spiel- und Inszenierungspraxis, könnte zu solchen kleinen Neben- und Mißklängen jenes hintergründige Fast-Schmunzeln aufgesetzt haben, das man von Fotos kennt.

Beim Nachdenken darüber, was genau MACKIE MESSER – BRECHTS DREIGROSCHENFILM eigentlich ist, kommt einem noch so ein Wort mit Dreck am Stecken in den Sinn: Kulturfilm. Tatsächlich greift Joachim A. Lang mit beiden Händen in die deutsche Theater-, Film- und Zeitgeschichte, in die Brecht-Forschung und den reichen Ideen- und Zitatenschatz, der sich um den Dramatiker und Lyriker angesammelt hat. Er bedient sich beim Verruchten der Goldenen Zwanziger und beim Beängstigenden der braunen Dreißiger mitsamt des dafür etablierten filmsprachlichen Vokabulars. Im Zentrum steht Brechts gescheiterter Versuch, seinen Welterfolg „Die Dreigroschenoper“ auf die Kinoleinwände zu bringen – und zwar so antiillusionistisch, dreckig und verfremdet, daß dem Publikum beim Mitsingen von Kurt Weills bis heute unverwüstlichen Gassenhauern wohl die Töne verrutscht wären. Die Finanziers des Projekts bekamen damals kalte Füße und stiegen aus.

Daß die Finanziers von Joachim A. Langs Film mit ihren Groschen bei der Stange blieben, ist indes nicht verwunderlich. Mit Brecht und Weill und Macheath und auf den Kopf gestellter Moral läßt sich immer noch intellektuell glänzen – und glänzend unterhalten, wenn man denn wie hier ein für alle Film-, Fernseh- und Theatergeschmäcker taugliches Ensemble vor die Kamera bittet. Es gibt einen Brecht-Eidinger, einen Weill-Stadlober, einen Macheath-Moretti und einen Peachum-Król. Es gibt die großen Hits, etwa den Kanonensong, den Moretti und Christian Redl mit Lust am Klamauk aufs Parkett legen. Es gibt das „Hoppla!“ der Seeräuber-Jenny und den berühmten Mond über Soho, zu dem sich natürlich noch ein zweiter gesellt. Es gibt Aha-Effekte, wenn man beispielsweise in der stets angesäuselten, aber unternehmerisch weitblickenden Frau Peachum Claudia Michelsen entdeckt. Es gibt V-Effekte, darunter einen Sprung im Kameraobjektiv, der einem die Versenkung verhageln soll, weil es mit Brecht halt nicht ums Glotzen, sondern ums Sehen geht. Aber gibt es auch eine große Überraschung?

Wer ein kleines bißchen mehr über Brecht weiß, als daß auf ihn die Sache mit dem Haifisch und den Zähnen zurückgeht, kann sich über Joachim A. Langs etwas beflissen durchgestaltetes Rein-Raus-Spiel mit Illusion und Entzauberung, mit gedrehten Szenen und inszenierten Drehs, mit Schmackes und mit Pfeffer im Hintern nicht ernsthaft wundern. Im Gegenteil: Das Vergnügen am Vulgären, am Spektakel und an der Sensation gehört zu Brecht, wenigstens zum frühen, wie die Mutter zur Courage.

[ Sylvia Görke ]