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Perfect Sense

Liebe in Zeiten des Sinnverlusts

Eine grausame Vorstellung: Der Mensch verliert nach und nach seine Sinne. Alles beginnt mit dem Geruch, ihm folgen Schmecken, Hören, Sehen, Fühlen. Ein Virus verursacht diesen schleichenden Sinnestod. Normalerweise ein Stoff für Seuchenhorror oder Endzeitthriller, hätte ihn nicht Ausnahmeregisseur David Mackenzie umgesetzt, der die grausame Entwicklung als Hintergrund für ein romantisches Drama nutzt. Bewies der Schotte schon mit HALLAM FOE und STELLAS VERSUCHUNG seinen Sinn für ungewöhnliche, düsterromantische Liebesgeschichten, legt er nun sein bislang wohl eigensinnigstes Werk vor, das, wenn auch sonst eine klare Einordnung schwerfällt, als Epidemiendrama ein klares Kontrastprogramm zu Steven Soderberghs CONTAGION darstellt.

Die Epidemiologin Susan stößt auf eine Reihe ungewöhnlicher Krankheitsfälle, bei denen die Betroffenen nach einer Art Depression wenig später ihren Geruchssinn verlieren. Während sie das Phänomen untersucht, begegnet sie privat dem erfolgreichen Koch Michael, ein eigentlich bindungsscheuer Eigenbrötler. Die beiden verlieben sich ineinander und beginnen eine leidenschaftliche Beziehung. Während sich das Virus, das die Sinnesverluste bei Susans Patienten verursacht, zu einer Epidemie ausbreitet und auch die Beiden befällt, versuchen Susan und Michael, ihre neu gefundene Nähe zu bewahren. Das tragische Ende scheint vorprogrammiert, doch aus der vermeintlichen Ausweglosigkeit erwächst ein letzter Hoffnungsschimmer.

Mackenzie kreiert eine eigenwillige Atmosphäre zwischen kühler Betrachtung und schwelendem Pathos. Trotz zum Teil hervorragender schauspielerischer Leistung und origineller Ideen, wie der sich steigernde Sinnverlust der Charaktere ins Filmbild übersetzt wird, bleibt am Ende eine Distanz zum Film und seinen Figuren, die gewollt sein mag, der sinnlichen Prämisse des Liebesdramas aber gleichzeitig entgegensteht. Am Ende ist man etwas ratlos, so als hätte man sich von manch Kritikerkollegen eine häßliche Geschmacksverirrung eingefangen, die einem nun das hart erarbeitete Urteilsvermögen raubt.

Was bleibt, ist ein Nachgeschmack. Nicht süß, nicht bitter, sondern unbestimmbar und nebelig wie das Glasgow im Film. Wer solch Sinnesverwirrung mag, der sollte sich diesen außergewöhnlichen Endzeit-Liebesfilm nicht entgehen lassen. Für alle anderen bleibt immer noch CONTAGION.

Originaltitel: PERFECT SENSE

DK/D/S/GB 2011, 92 min
FSK 12
Verleih: Senator

Genre: Drama, Liebe, Science Fiction

Darsteller: Ewan McGregor, Eva Green, Ewen Bremner, Connie Nielsen, Stephen Dillane

Regie: David Mackenzie

Kinostart: 08.12.11

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...