CH 2013, 106 min
FSK 12
Verleih: Kool

Genre: Tragikomödie, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Sibylle Brunner, Fabian Krüger

Regie: Marcel Gisler

Kinostart: 08.05.14

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Rosie

... ist einfach die Beste!

Woran das liegt, kann man schnell erklären: Sie schert sich einen Dreck um Normen. Rosie qualmt einer Esse eng verwandt, trinkt gern über den Durst, wenn’s im Unterleib drückt, soll der Wind eben laut bekichert wehen, und nette Worte sind eh unnütz. Feine alte Dame? Drauf gepfiffen! Solch’ exzessives Verhalten bringt Rosie nun leider ins Hospital und ruft die Kinder herbei. Da wären also Tochter Sophie, total gestreßt von so ziemlich allem, und Sohn Lorenz, erfolgreicher Schriftsteller, längst nach Berlin entflohen. Muttis Zusammenbruch paßt beiden nicht, weswegen schnell ein Plan reift: Auf Mama wartet das Seniorenheim, selbstredend für ihr eigenes Wohl. Doch Rosie weiß sich zu wehren.

Die große Meckerschnauze auspackend, schmäht sie fortan bloß jammerartige Krankheitsgeschichten erzählende Nachbarinnen ebenso wie die undankbare Brut. Lorenz zum Beispiel hat trotz passabler Optik immer noch keinen Mann, warum denn das?! Tatsächlich ist der Autor auf der Flucht – vor sich, vor der Liebe. Schneller Sex ersetzt feste Bindung, wenn mal jemand Interesse zeigt, wird er schnellstens abserviert. Wie Mario, ein Typ aus dem Dorf, der Lorenz deutliche Avancen macht.

Tja, Rosie legt den Finger in Wunden und wühlt dann gnadenlos drinnen herum, schockiert den Nachwuchs mit Ehe-Enthüllungen und bislang sorgsam verschwiegenen Geheimnissen. In einer gefühlten Wahrhaftigkeit, die nachhaltig beeindruckt. Sibylle Brunner zeichnet den komplexen Charakter adäquat, formt aus Rosie eine Naturgewalt, einen Wirbelsturm, sein Durchzug kann zerstörerisch sein oder heilsam. Tragikomisch ausbalanciert ohnehin, das Lachen steckt uns im Hals, es muß raus, trägt allerdings Gänsehaut im Gepäck. Denn diese Leute kämpfen um etwas, seien es Würde, mütterliche Akzeptanz, Zuneigung oder Befreiung von inneren Dämonen. Dazu passen eine oft karge Visualisierung sowie der Gefangenenchor aus „Nabucco“ als Unterfütterung emotionalen Knasts, durch dessen Gitterstäbe indes – man darf es erneut betonen – ein wunderbar schnodderiger Grundton hoffnungsvolle Sonnenstrahlen sendet.

Folgerichtig mag am Ende zwar nicht jede geschlagene Schlacht Sieger kennen, aber in mehrerlei Hinsicht neu entdeckte Zärtlichkeit und eine Zigarette, erinnerungsreich abseits vom trubeligen Schuß geraucht, sind auch schon kleine Schritte auf dem Pfad hin zur Ausgeglichenheit. Möglicherweise sogar viel mehr.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...