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Schlafkrankheit

Verloren in Afrika

In die Fremde aufzubrechen, ist nicht leicht, zurückzukommen mitunter noch weit schwerer. Die Eheleute Ebbo und Vera Velten leben seit fast 20 Jahren in Afrika, wegen ihrer halbwüchsigen Tochter Helen wollen sie wieder nach Deutschland zurück, doch dem Arzt Ebbo sind Tochter und alte Heimat fremd geworden.

Regisseur Ulrich Köhler, der selbst seine Kindheit zum Teil in Afrika verbrachte, transportiert in dokumentarisch wirkenden Bildern die Atmosphäre Kameruns sehr realitätsnah auf die Leinwand: eine nächtliche Militärkontrolle auf der Landstraße, das für Europäer bedrohlich anmutende Chaos der Hauptstadt Yaoundé, das grün-satte Dickicht des Dschungels. Vor allem aber gelingt es ihm, in wenigen, auf den Punkt inszenierten Szenen die widersprüchliche Situation der Europäer in Afrika zu skizzieren. Ebbo sieht sich als Entwicklungshelfer den Begehrlichkeiten der einheimischen Bürokraten ausgesetzt, die Hilfsgelder in die eigene Tasche lenken wollen. Hingegen ist sein Bekannter, der Geschäftsmann Gaspard Signa, ein Vertreter der modernen Glücksritter, die in Kamerun Wohlstand, Abenteuer und Frauen suchen. Das koloniale Erbe können weder Afrikaner noch Europäer abschütteln, es steht noch immer zwischen den Menschen und teilt sie in Schwarz und Weiß.

Leider entscheidet sich Köhler nach einer überzeugenden ersten halben Stunde für einen radikalen Schnitt: Jahre später kommt der in Paris aufgewachsene Arzt Alex Nzila nach Kamerun, um im Auftrag der WHO das von Ebbo aufgebaute Programm gegen die Schlafkrankheit zu evaluieren. Von kongolesischer Herkunft ist ihm das Land trotz seiner afrikanischen Erscheinung zutiefst fremd. Ebbo lebt mittlerweile tief im Dschungel, statt eines idealistischen Arztes findet Alex einen zerrissenen und desillusionierten Mann vor, der sich ihm immer wieder entzieht.

Diese Wende glückt Köhler dramaturgisch nicht, der Gegensatz zwischen Ebbo und Alex wirkt überkonstruiert, der Film mäandert unentschieden zwischen seinen vielen Sujets wie ein afrikanischer Fluß, um sich am Ende ähnlich wie dieser in der Dschungelwildnis zu verlieren. Die Jury der Berlinale 2011 störte sich daran jedoch nicht und sprach SCHLAFKRANKHEIT den Silbernen Bären für die beste Regie zu. Nur zum Teil verdient.

D/F/NL 2011, 91 min
Verleih: Farbfilm

Genre: Drama

Darsteller: Pierre Bokma, Jean-Christophe Folly, Jenny Schily, Hippolyte Girardot

Regie: Ulrich Köhler

Kinostart: 23.06.11

[ Dörthe Gromes ]