Originaltitel: RADIO

USA 2003, 109 min
Verleih: Columbia

Genre: Drama

Darsteller: Ed Harris, Cuba Gooding, Jr., Debra Winger

Regie: Michael Tollin

Kinostart: 06.05.04

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Sie nennen ihn Radio

Bewegendes Kleinstadtdrama

Der Vorhang ist noch nicht mal richtig offen, da hat man schon den ersten Schreck weg - "Nach einer wahren Begebenheit". Wenn sich Hollywood Außenseitern annimmt, ist das Ergebnis unberechenbar. Es kann ein stargespickter Kraftakt entstehen wie RAIN MAN, oder eine widerliche Eitelkeit à la BEAUTIFUL MIND.

SIE NENNEN IHN RADIO hat sich an beiden Extremen vorbeigemogelt und überrascht mit seiner klaren Geschichte, guten Schauspielern und dem Verzicht auf übermäßigen Kitsch.

In einer winzigen Stadt in South Carolina ist Lehrer und Footballcoach Harold Jones so etwas wie eine lokale Berühmtheit. In seinen Händen werden aus jungen Männern disziplinierte Sportler, die das städtische Team nach vorn bringen. Eines Tages widmet Coach Jones seine Aufmerksamkeit dem jungen James, der mit Einkaufswagen und schüchterner Art schon zum Stadtalltag gehört. Er wird wegen seiner Leidenschaft für Kofferradios Radio genannt und ist etwas langsamer als andere Jungs. Coach Jones bezieht ihn in den Trainingsalltag mit ein, lernt die Mutter von James kennen. Er vernachlässigt seine eigene Familie, und auch einigen Leuten in der Stadt ist seine neu entdeckte, soziale Ader ein Dorn im Auge. Sollten für Jones doch das Footballteam und dessen Siege im Vordergrund stehen.

Cuba Gooding, Jr. spielt den titelgebenden Jungen überraschend gut, hält sich im Hintergrund, widmet sich nur der Figur, nicht den OSCAR-Hoffnungen. Bei Filmen mit Behindertenthematik ist dies keinesfalls die Norm. Daß Regisseur Tollin in der bisherigen Arbeit eher den Sport als die Emotionen im Visier hatte, mag man auch kaum glauben. Der Film zirkelt sehr einfühlsam und geschickt um den Umgang der Menschen miteinander, den Beginn und das Ende von Toleranz.

Erschreckend hingegen ist die erstickend schwülstige Filmmusik des McSoundtrack-Experten James Horner. Wie schamlos sich der Komponist selbst kopiert, ist schon einmalig. Da kündigen tiefe Pianoseufzer verschwörerisch wie in BEAUTIFUL MIND Veränderungen an und schlägt das Orchester mit aller TITANIC-Wucht zu, wenn die Gefühlswellen hoch schlagen. So walzt man fast jede Szene platt. Aber nur fast. Denn sensibel und bescheiden drängt sich die Geschichte vom Mann, der stur seinem Gefühl folgt, bis in den letzten Herzwinkel. Und das ist die eigentliche Überraschung.

[ Roman Klink ]