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Snow

Spuren eines Krieges

1997, ein kleines Dorf im Osten Bosniens. Immer wieder die gleiche Szene: Ein Zipfel bunten Kopftuches weht im Wind, eine grazile Frau dreht es kunstvoll fest, ihr schmaler Hals ist zu sehen, ein Ring, eine Blume. Sie geht zu einer Wasserstelle und reinigt achtsam ihre Arme und das Gesicht. Dann bricht das Bild ab. Alma, so heißt die junge Frau, folgt noch immer diesem Ritual. Jeden Morgen. Sie hält sich daran fest, denn viel ist ihr nicht mehr geblieben. In der Ruine einer Moschee beten die Frauen des Dorfes mit Imam Mehmed. Er ist der einzige Mann, der nicht von den serbischen Tschetniks ermordet wurde. Und Ali, der Junge, der nicht mehr spricht und dem auf wundersame Weise fast jede Nacht die Haare wachsen wie frisches Gras.

Aida Begic fand für ihr Spielfilmdebüt, das mit dem Großen Preis der Semaine de la critique auf dem letztjährigen Festival in Cannes ausgezeichnet wurde, diese fast mystisch anmutenden Bilder und verwebte sie mit den realen Geschichten unzähliger Frauen, die sie vor Beginn der Filmarbeiten traf. So unterschiedlich wie diese persönlichen Erzählungen gewesen sein mögen, so verschieden sind auch die Frauen, die Begic zeigt. Gemeinsam ist ihnen nur das Leid des Verlustes und die Aufgabe, trotzdem weiterzuleben. Alma möchte das zerstörte Dorf wieder aufbauen und versuchen, ein normales Leben zu führen. Sie hofft, ein einträgliches Geschäft mit dem Verkauf von Chutney und Marmelade zu machen. Doch eines Tages besucht der Serbe Miro das Dorf und bietet den Einwohnern als Gesandter eines großen Unternehmens Geld, wenn sie ihr Land verkaufen.

Für Begic steht dieser Teil ihrer Handlung nicht nur für die Zerissenheit ihrer Figuren, die schwanken zwischen dem Drang, ganz woanders ein neues Leben anzufangen und der Verwurzelung mit ihrer Heimat, sondern auch für die globalisierte Welt im Allgemeinen. Man müsse sich entscheiden, ob man im Austausch mit materiellen Werten seine Seele verkauft, sagte die 32jährige in einem Interview.

In ihrem Film votiert sie ganz klar für die Seele. Ihre Frauen atmen Leben, sind fernab von durch filmische Kunstgriffe erzeugte Rührseligkeit – im Gegenteil: Mit ihrer Sperrigkeit bieten sie keinen leichten Zugang, doch wenn man sie beobachtet, bekommt man eine kleine Ahnung von den Ausmaßen eines Krieges und den Wunden, die jener hinterläßt.

Originaltitel: SNIJEG

Bosnien/D/F/Iran 2008, 100 min
FSK 12
Verleih: Mitosfilm

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Zana Marjanovic, Jasna Ornela Bery, Vesna Masic, Jasmin Geljo, Benjamin Dip

Regie: Aida Begic

Kinostart: 09.04.09

[ Susanne Schulz ]