Originaltitel: LES GARCONS SAUVAGES

F 2017, 110 min
FSK 16
Verleih: Drop-Out Cinema

Genre: Drama, Fantasy, Schräg

Darsteller: Vimala Pons, Pauline Lorrilard, Diane Rouxel

Regie: Bertrand Mandico

Kinostart: 23.05.19

2 Bewertungen

The Wild Boys

Metamorphosen hypnotischer Irritation

Für die strammen Verfechter des Patriarchats müssen das die Blumen des Bösen sein, die auf dieser Insel wuchern. Eine Insel wie eine Auster, so heißt es einmal. Salty And Sweet, Hard And Yielding. Was nur Variationen jener Metaphern sind, derer es hier, in diesem Film, so einige zu hören gibt. Über diese Insel, auf, nein, das ist wichtig, in der sich eine Handlung entfaltet, die, ganz wie diese Insel selbst, fiebrig und traumhaft ist wie selten eine. In der die Außenwelt auf die Innenwelt verweist, oder besser: sich gleich aufplatzendem Fruchtfleisch das Innen ins Außen stülpt; so wie es an jenen, die es an diesen Ort verschlägt, eine Metamorphose vollzieht, wie sie selbst das Kino so noch nicht gezeigt hat.

Irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Eine Gruppe Jungs, adoleszent, reich und privilegiert, exaltiert und moralisch weit jenseits der Norm, begeht ein brutales Verbrechen. Als Strafe dafür werden sie einem alten, knurrigen Hund von Kapitän anvertraut, der die verzogenen Bälger auf seinem Seelenverkäufer zur Räson bringen soll. Was an Bord erst zu einem brutalen Machtkampf führt und bald darauf auf erwähnte Insel. Die ist voll der bizarren Gewächse in nicht selten sexuell-obszöner Anmutung. Und Anziehung auch – ist die Natur doch von einer magischen Energie durchdrungen, die auch diese Jungs zunehmend in rigoroser Konsequenz umstülpen, sie auf ewig verwandeln wird.

Und man mag ahnen, welcher Art diese Verwandlung ist, allein, wenn man einen Blick auf die Besetzungsliste dieses wunderbar eigenartigen Films wirft. Aber das hier besagte Jungs von Mädchen gespielt werden, ist nicht der einzige Effekt hypnotischer Irritation, mit der Regisseur Bertrand Mandico seine Phantasie entspinnt. Gedreht auf La Réunion, erschafft sein Film ein Traumgestade, das auch Shakespeare oder Baudelaire so hätten heraufbeschworen können. Archaisch und artifiziell in einem, ein künstliches Paradies, erschreckend und verlockend. Tropisch triefend und das nicht selten wie in einem Rausch; fotografiert in hart konturiertem Schwarzweiß, durchsetzt von partiellen Farbaufnahmen.

Und durchwandert von einer Göttin, einer Calypso, die hier, wir sind schließlich schon in der Moderne, schlicht Dr. Severine heißt und dem Kapitän wie seinen Schützlingen ein Schicksal zuerteilt, das den Tod nicht ausschließt und ein anderes Weiterleben ermöglicht. Eins, das gleichsam als feministisch-poetische Zukunftsutopie irrlichtert.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.