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True North

Ein Fischkutter als Seelenverkäufer

"Providence" heißt der schottische Fischkutter. Was freilich schon auf die Schicksalswogen verweist, die hier bald durchpflügt werden. Denn als die "Providence" den Hafen von Ostende verläßt und gen Schottland tuckert, befinden sich im Laderaum 20 illegale chinesische Einwan-derer. Kapitänssohn Sean nahm sie heimlich an Bord. Das Geld, das für die menschliche Schmuggelfracht winkt, soll den drohenden Ruin des kleinen Fischerei-Familienunternehmens abwenden. Doch natürlich hat die Vorsehung andere Pläne. Und die sind wahrlich düster - und für einige tödlich.

Auf den ersten Blick verspricht TRUE NORTH Kino so unerbittlich und aufgeraut wie die Nordsee bei Wintersturm. Doch scheint es Autor und Regisseur Steve Hudson etwas mulmig geworden zu sein vor der Härte seiner Geschichte. In entscheidenden Punkten nämlich wirkt sein Film seltsam kosmetisch. Etwa bei der Wahl der, für so ein Kammerspiel auf hoher See, viel zu orchestralen Musik. Sollte da mit heftigen Mollstreichern ein abgründiges Drama zum kommensurableren Melodram umgepäppelt werden?

Auch die Montage läßt derlei vermuten. So schichtet Hudson etwa zwei Kernszenen des Films ineinander: da wuchtet Sean in einer stürmischen Nacht einen toten Chinesen aus dem Laderaum und über Bord, während gleichzeitig der sanfte Schiffskoch sich rührend um ein kleines, chinesisches Mädchen kümmert. Ihm zu essen gibt, es sich waschen läßt É Separat zwei ausgesprochen gelungene Szenen. Hier ein abgründiger Moment psychischer und körperlicher Tortur, da die zarte Geste der Menschlichkeit. Nur löst sich das in der Art, wie Hudson das montiert hat, gegenseitig auf. Hell und Dunkel, zu Grau verwischt. Die Intensität der einen Szene verliert sich jeweils in der Intensität der anderen. Da ist dann weder das Grauen richtig grauenvoll, noch die Zärtlichkeit richtig zärtlich.

Durchaus symptomatisch für TRUE NORTH. Ist diese seltsame Indifferenz nur inszenatorisches Ungeschick? Oder der Preis für Hudsons Bedürfnis, dem menschlichen Dunkel mit etwas Hoffnung heimzuleuchten? Handelt es sich gar um das fade Bangen, man würde mit rigoroserem Erzählen Zuschauer vergraulen? Denn auch, wenn TRUE NORTH letztlich sicher kein schlechter Film ist, hinterläßt er das fade Gefühl, das hier eine Geschichte nicht so konsequent erzählt wurde, wie sie es eigentlich verdient hat.

Originaltitel: TRUE NORTH

GB/D/Irland 2006, 96 min
Verleih: alpha medienkontor

Genre: Drama

Darsteller: Peter Mullan, Martin Compston, Gary Lewis, Angel Li, Steven Robertson, Hark Bohm

Regie: Steve Hudson

Kinostart: 22.05.08

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.