Originaltitel: LA VACHE

F/Marokko 2015, 91 min
FSK 0
Verleih: Alamode

Genre: Komödie, Roadmovie

Darsteller: Fatsah Bouyahmed, Lambert Wilson, Jamel Debbouze, Catherine Davenier

Regie: Mohamed Hamidi

Kinostart: 14.07.16

2 Bewertungen

Unterwegs mit Jacqueline

Schuld war doch nur der Willi!

Man muß es klar sagen: Jacqueline ist eine ganz schöne Kuh. Gemach, entrüstetes Aufschreien überflüssig, das war keine ausfällige Betitelung einer Dame, sondern rundum wortwörtlich und ernst gemeint. Also der Zweitversuch: Jacqueline ist eine ganz schöne Kuh. Vier sehnige Beine, pralles Euter, abgrundtiefe braune Augen, kleine Hörner, seidiges Fell, alles sonst besonders toll proportioniert, das Gesamtpaket spielt daher in den Ligen „total niedlich“ und „echt hübsch.“ Dafür wird Jacqueline von ihrem Halter Fatah nicht nur innig geliebt und darf sogar ganz geheim die von Gattin Naïma bereits vermißte gute rote Hochzeitsdecke auf dem Rücken tragen, Fatah meldet seine animalische Göttin auch alljährlich – bislang erfolglos – zur Landwirtschaftsmesse an. Diesmal hat’s nun allerdings endlich geklappt, die Organisatoren zeigten sich beeindruckt von solchem Durchhaltevermögen, das Tier bekam Teilnahmeerlaubnis. Winziges Problem: Mann und Kuh leben in Algerien, der Wettbewerbsort heißt Paris. Unerschrocken fährt das Duo jetzt zunächst nach Marseille, und ab dort geht’s per pedes weiter, 660 Kilometer Luftlinie warten auf Begehung ...

Und während unser ungleiches Doppel Meter um Meter zurücklegt, werden Freunde stringenter Handlungsverfolgung Trauermienen aufsetzen: Fatah, den Fatsah Bouyahmed als aufgedrehtes Stehaufmännchen mit leichter Louis-de-Funès-Anleihe spielt, taumelt nachfolgend extrem galant und entspannt schlicht von einer Situation zur nächsten. Er schlüpft vor Starkregen bei einer verwitweten Bäuerin unter, deren Name für Heiterkeit sorgt, schließt Freundschaft zu einem bankrotten Grafen, wird während des Nacktbadens von zwei hungrigen Picknickern gestört und so weiter. Kleine Geschichten mitsamt mal normaler, mal schräger oder wunderlicher Leute, unaufgeregter Existenzmodelle, einsam oder gemeinschaftlich getragener Lebens-Päckchen. Eben locker-sympathische Beobachtungen des Alltäglichen – und völlig schnurz, was ständig nach Überraschungen lechzende Schnellgelangweilte mit unangenehm ausgeprägtem Forderungsdenken dazu meinen: Kino darf das, soll sogar, es muß nicht immer die fintenreiche, große, herbeigeschriebene und letztlich nur in erzählerischer Übertreibung spannende Story sein.

Vor allem, weil man hier permanent an den hingebungsvoll skizzierten Menschen bleibt, hohen Unterhaltungswert fühlt, wenn Fatah aus heiterem Himmel schon mal die Gloria Gaynor in sich entdeckt und direkt danach Willi kennenlernt, was erst zu ehelicher Krise und dann ungeahnten Entwicklungen führt. Zugegeben, diese sind – ungeachtet mediensarkastischer Nuancen – vielleicht wirklich zu schön, um wahr zu sein, doch es gehört ein schweres Gefühlshandicap dazu, das ernsthaft zu bemängeln.

Manchmal braucht’s für wunderbare Erlebnisse eben bloß ein Hausrind plus schmächtigen Algerier, dessen unerschütterliches Festhalten an seinen vergleichsweise gemäßigten Träumen sowie den Mut, lebensbejahenden Optimismus gegen omnipräsentes humanes Negativdenken, schlimmste Erwartungen und aus beidem generiertes Rumgejammer zu setzen. Man sieht da bereits vor sich, wie dauerunzufriedene Schwarzmaler ihre Nüstern in abfälligem Schnauben beben lassen und über „Vorhersehbarkeit“ oder „Feel-Good-Movie“ schwafeln, als litten jene Begriffe per se unter auf jeden Fall zu vermeidender Übelkeit im Abgang. Okay, macht das ruhig, Ihr ewigen Nörgler, und verpaßt mal wieder ein Stück Freude.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...