D 2018, 90 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Miki Manojlovic, Paz Vega, Chulpan Khamatowa

Regie: Veit Helmer

Kinostart: 07.03.19

3 Bewertungen

Vom Lokführer, der die Liebe suchte …

Mit Unterwäsche und Oberweiten: Schweigen ist Gold

Obacht! Im kaukasischen Gebirge schreckt Waisenjunge Aziz’ schrilles Trillern eben mal wieder die Einwohnerschaft auf. Der Knabe verfolgt wohlgemerkt gute Absichten, denn alles ist derart dicht besiedelt, daß Lokführer Nurlan seinen tonnenschweren Koloß haarscharf an Häusern vorbei- und durch Gärten lenkt. Da heißt es aus dem Weg springen, verirrte Bälle opfern und nicht nur die Wäsche retten, schon manches träge Huhn mußte nach Dienstschluß aus den Kühlerjalousien gekratzt werden.

So originell die Prämisse, so liebevoll ihre technische Umsetzung – künstliche Laufstreifen und unruhiger Bildstand zwecks nostalgischer Alterung oder gewisse Unwirklichkeit beitragende, steile Kontraste inklusive. Gimmicks, an denen man(n) sich fast kindlich erfreuen kann, die aber bald übersehen und unwichtig sind, jetzt fesselt die Handlung. Eines Tages nämlich ziert ein von der Leine gerissener Spitzen-BH Nurlans Lok. Der Gedanke an eine folglich ungezähmt wogende Brust, auf die bereits ein kurzer Seitenblick fiel, versetzt den Mann in emotionale Aufruhr; Nurlans nun folgende Suche will Eigentümerin und Kleidungsstück zusammenführen.

Was sich uns als komödiantisches Slapstick-Schelmenstück komplett ohne Dialoge (!) präsentiert, gespickt mit launigen Aschenputtel-Anleihen, wenn allerhand verschiedene Anproben die Besitzrechte klären sollen: Wie im Märchen der Fuß paßt keine Büste korrekt rein; hier gaukeln Einlagen falsche Größe vor, dort überfüllen voluminöse Ausmaße die Körbchen. Eine Dame, in Habsucht entflammt, schummelt gar ganz ungeniert, um das tolle Teil zu ergattern. Und uns bleibt trotz stumm treffender Komik häufig das Lachen im Hals (oder der Brust?) stecken. Weil sich, musikalisch geradezu fragil unterfüttert, jene artifiziell scheinende Welt zunehmend zum Hort realer Einsamkeit wandelt, während sie ein ungelebtes Leben freigibt. Das Nurlans, des überall Gedemütigten, eines allein umherwandernden Irrlichts. Ein Außenseiter, dessen endlos gleiche Tage höhepunktslos vertröpfeln, bis zum Abendessen in beengter Dunkelheit.

Die sanfte Inszenierung dringt vorsichtig, doch nachdrücklich zum tieftraurigen Kern der Geschichte vor und schenkt ihr schließlich eine wahrlich herzzerreißende Pointe. Und um noch schnell etwas für rigoros abwinkende Hollywood-Schmonzetten-Vielseher hinzuzufügen, welche meinen, das Ende vorher zu kennen: nein.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...