Originaltitel: US

USA 2019, 120 min
FSK 16
Verleih: Universal

Genre: Horror

Darsteller: Lupita Nyong'o, Elisabeth Moss, Winston Duke, Shahadi Wright Joseph, Evan Alex

Regie: Jordan Peele

Kinostart: 21.03.19

6 Bewertungen

Wir

Ich bin Du, und Du bist tot

Sicher, anno 2019 muß Horror nicht zwangsweise als 80er-Genre-Reminiszenz-Stumpfsinn dargeboten werden, also voller zugedröhnter Teenager, welche entweder exzessiv alle Triebe befriedigen oder mutterseelenallein abgesondert unnötig-dämlichen Tätigkeiten nachgehen, zum reinen Zweck brutaler Tötung. Allerdings kann man den Gegenentwurf ebenso übertreiben. Weil es Leinwand-Grusel im Idealfall schafft, Ängste des Betrachters zu berühren, während er Instinktives, Ursprüngliches zu seiner nachtschwarzen Spielwiese erklärt. Schaltet nun parallel der Kopf grelle Lichter ein, um abgründige Andeutungen, verschachtelte Subtexte, drapierte Allegorien zu beleuchten, geht der aufs Erspüren gerichtete Effekt im Gleißen flöten. Kürzlich erlitt so die verquaste Argento-Neuerzählung SUSPIRIA Gänsehaut-Schiffbruch. Ähnlich erging’s HEREDITARY, kritikerseitig als Jahrhundertwerk bejubelt, bei geerdeter Betrachtung indes eine Enttäuschung mit fraglos starkem Beginn, dann zunehmend erzählerischem Jammertal und finaler Facepalm-Pointe.

Okay. Schwenk zu Jordan Peele, der sich hier daranmacht, dem schnurstracks durch sämtliche Decken geschossenen Regie-und-Buch-Debüt GET OUT ein Brüderchen zu gebären. Es geht laut Peeles Bekunden um eine „unbestreitbare Wahrheit“, konkret „die simple Tatsache, daß wir unsere eigenen schlimmsten Feinde sind.“ Das sei unkommentiert unterschrieben, obwohl sich aus solchen Erwägungen kein Neuigkeitswert generiert, auch im Kino kam jenes Thema oft, sehr oft zur Diskussion. Und anfangs scheint Peele klar, daß er da nix Bahnbrechendes entdeckte, das Intro paßt sich weitgehend innovationsfrei an, ein Mädchen erlebt Schauerliches auf dem Jahrmarkt, packend transportierte Sache, super.

Jahre später, aus der Kleinen wuchs eine schöne Frau, sie fährt familiär verstärkt zum Strand, Töchterchen jammert über fehlendes WiFi, Söhnchen hätte gern einen Hund, der Gatte verhält sich infantil, Freunde kommen hinzu. Sommerliche Entspannung bis zum Abend; plötzlich stehen Eindringlinge vorm Haus. Doppelgänger. Mondlicht glitzert auf bedrohlich geöffneten Scheren, die bald Morden dienen ...

Gleich vorweggenommen: Bei Peele schnappt schnell doch die oben angesprochene Überfrachtungsfalle zu. Den Startschuß liefert ein krytischer Monolog aus bösem Mund, mündend in die Information: „Wir sind Amerikaner!“ Erster Fingerzeig, unzählige weitere bereiten schon ihren Auftritt vor, viel Interpretationsraum garantiert. Wir werfen derweil an dieser Stelle das ganze uns aufgeladene Gedankengut ab, folgen nicht den weißen Kaninchen (wer aufmerksam hinschaut, bemerkt darunter ein einzelnes metaphorisches schwarzes), nehmen das omnipräsente Rot schlicht als normale Farbe, zücken keine Dialoge korrekt sezierende Goldwaage. Es bleibt ...? Ein insgesamt kaum referenzwürdiger, aber ordentlicher Home-Invasion-Thriller, partiell von Logikschwäche heimgesucht, musikalisch die Nerven prüfend sowie – leider – teils störend humoristisch aufgestellt. Andererseits toll gespielt, verdammt klasse aussehend und mancherorts memorabel intensiv: Was Elisabeth Moss’ großartig schnepfiger Kitty geschieht, knallt richtig zynisch rein, und das am Ende aufgeführte Todesballett zweier gespiegelter Mütter zeigt echte inszenatorische Klasse. Völlig ohne nach angepapptem Anspruch schreienden Ballast.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...