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Wir waren niemals hier

Nostalgische Dokumentation über eine kaum gewürdigte Band

Die Band "Mutter" ist eine Ausnahmeerscheinung der deutschen Musiklandschaft. Seit über zwanzig Jahren macht die Gruppe um Frontmann Max Müller Musik. Genretechnisch ist ihr Output schwer einzuordnen. Harte Rockelemente treffen auf balladeske Zwischentöne, jazzähnliche Instrumentalimprovisationen werden mit exzessivem Schreigesang gemischt. Trotz ihres lang-jährigen Bestehens und kultischer Verehrung von Fans und Musikerkollegen, hat die Gruppe den musikalischen Underground nie verlassen, den Status der nationalen Berühmtheit nie erreicht. Dafür sind die Mitglieder von "Mutter" zu sehr Verweigerer, in ihren Vorstellungen von relevanter Musik zu eigen. Statt es auf Stadionrock anzulegen, spielen die Fünf lieber Begleitmusik zu 40er-Jahre-Stummfilmpornos in kleinen Berliner Clubs.

Regisseurin Antonia Ganz stellt in ihrer Doku die Männer von "Mutter" vor und beleuchtet deren Geschichte. Für die stimmungsvolle Aufbereitung der Zeitreise zu den Wurzeln der Band standen der Filmemacherin private Super8-Aufnahmen der Bandmitglieder zur Verfügung. Der interessante Einblick in die Anfänge der Gruppe und in die Musikszene Westberlins in den 80ern wird ergänzt durch verschiedene Konzertausschnitte und Beiträge von Filmemachern wie Jörg Buttgereit. In Interviews sprechen bekannte Musiker von heute, zum Beispiel Jochen Distelmeyer von Blumfeld oder Rocko Schamoni, den Mainstream-Verweigerern "Mutter" ihre Ehrerbietung aus. Dem ein oder anderen Menschen mit sensiblem Gehör wird die Musik von "Mutter" unerträglich vorkommen, das Untergrund-Dasein der Band als völlig gerechtfertigt und ihre Geschichte als unerheblich erscheinen.

Für diejenigen allerdings, die interessiert sind an einem bisher kaum beachteten Stück Musikkultur der jüngeren Geschichte unseres Landes und denen auch die Lieder der Einstürzenden Neubauten zusagen, für die ist dieser Film sicherlich ein spannendes Porträt eines ungewöhnlichen deutschen Musikphänomens. Daß es "Mutter" in der im Film porträtierten Besetzung nicht mehr gibt (mit dem Ausstieg des Gitarristen Frank Behnke hat Ganz ein prägnantes Ereignis der Bandgeschichte festgehalten), mag diese Dokumentation noch ein wenig wertvoller machen.

D 2005, 97 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Musik

Darsteller: Frank Behnke, Max Müller, Kerl Fieser, Florian Koerner von Gustdorf, Tom Scheutzlich, Diedrich Diederichsen

Regie: Antonia Ganz

Kinostart: 19.04.07

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...