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Yes

Die Mikrobiologie der Liebe

Ja, SIE ist eine schöne Frau und ihrer Ehe längst überdrüssig. Ja, sie begegnet IHM, der sie an vieles erinnert, was sie beinahe vergessen hat. Leidenschaft, Unsicherheit, den Traum vom Leben. Ja, sie wird sich auf eine Affäre einlassen É

Sally Potter läßt sich nicht festlegen. Sie ist vielseitig, arbeitet als Choreographin, Musikerin, Regisseurin, Schauspielerin. So vielschichtig wie ihr Schaffen sind auch ihre Kinowerke, sei es nun die androgyne Magie ihres ORLANDO oder Potters mitreißende TANGO LESSON. In YES begibt sie sich zwischen die Fronten eines stillen Ehekrieges und erzählt doch von viel mehr. Schockiert von der wechselseitigen Dämonisierung der arabischen und westlichen Kultur in Folge des 11. Septembers 2001 begann sie ihre Geschichte von Liebe in Zeiten der Angst niederzuschreiben. Mißtrauen und Untreue sorgen für eine flirrende Atmosphäre der Unsicherheit. Doch statt in bleierne Ernsthaftigkeit abzugleiten, erfährt YES durch seine lyrische Sprache Auftrieb. Schon der Prolog der Putzfrau im Haushalt der entfremdeten Eheleute, die über Schmutz und Staub als Zeugnisse unseres Handelns philosophiert, etabliert das Versmaß, dem YES konsequent folgen wird. Die Leichtigkeit der Worte schürt selbst in den emotional brutalen Szenen Hoffnung.

SIE und ER, namenlos und einander fassungslos leidenschaftlich ausgeliefert, tragen auf dem Pfad ihrer Annäherung die Schlacht moderner Vorurteile aus. Sie ist erfolgreiche Molekularbiologin und nimmt auch ihre Ehe wahr, als wäre sie ein Bakterium unter dem Mikroskop. Er arbeitete im Libanon einst als Arzt und verdingt sich in London nun als Koch. Sie treffen aufeinander als geschundene Seelen, eine Überwachungskamera ist einziger Zeuge. Sie wollen einander lieben, doch müssen sie die Themen des Lebens überwinden, von denen sie, Mauern gleich, umgeben sind. Sally Potter gibt ihre Figuren nicht auf, sie läßt sie immer wieder aufeinander treffen und kann blindlings auf ihre begnadeten Hauptdarsteller Joan Allen und Simon Abkarian bauen. Bald gibt es auch den Traum eines möglichen Glücks: Kann eine Reise nach Kuba die Zweisamkeit bestärken, oder ist dies wieder eine Flucht?

YES ist ein reifer, ein bestürzend schöner Film. Man möchte Sally Potter für dieses künstlerisch und emotional reiche Erlebnis schlichtweg auf Knien danken.

Originaltitel: YES

GB/USA 2005, 95 min
Verleih: Alamode

Genre: Poesie, Liebe, Tragikomödie

Darsteller: Joan Allen, Sam Neill, Simon Abkarian

Regie: Sally Potter

Kinostart: 05.01.06

[ Roman Klink ]