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Work Hard – Play Hard

Schöne neue Arbeitswelt

Ein gespenstischer Blick hinter die hochglanzpolierten Fassaden des Big Business. Diese schonungslose Doku wurde im Herbst bei DOK Leipzig mit Preisen überschüttet – und das ganz zu Recht. Sie bietet Einblick in eine verborgene Welt hinter den Milchglasscheiben der Macht, zu der normalerweise nur jene Zutritt haben, die auch Teil dieses Systems sind.

Der Film erzählt von Menschen, die schon heute das erleben, was viele als die Arbeitsweise der Zukunft bezeichnen. Die riesigen Bürogebäude ihrer multinationalen Unternehmen sehen aus wie eine Kreuzung aus Shopping-Mall, Verhörzimmer und Coffee-Shop, hier werden Meetings im Wohlfühlambiente des Büroflurs zelebriert, und Familienfotos auf dem Schreibtisch sind längst passé. Die Zukunft gehört den non-territorialen Office Spaces (aka Großraumbüros mit Designerlampen) und den dazugehörigen multimobilen Knowledge-Workern (aka digitalen Wanderarbeitern mit Laptop unterm Arm). Hier sind alle irgendwie Manager (zumindest ihrer selbst), und keiner ist mehr an Stempeluhren oder Arbeitszeiten gebunden.

Gerade deswegen rückt der Feierabend in weite Ferne. Die hochmotivierten Dienstleistungsspezialisten und Berater arbeiten leidenschaftlich daran, ihre Arbeit zum Leben zu machen. Weniger wäre auch nicht genug, das wird jedem von ihnen in den regelmäßig durchgeführten Zielerreichungsgesprächen mit wohl gewählten Worten klar gemacht. In diesen Gesprächen wird das ganze Elend der neuen Arbeitswelt deutlich. Hier werden die Menschen auf ihre Funktion als Human Resource reduziert und von ihren Vorgesetzten auf Herz und Nieren geprüft.

Wer dachte, Assessment-Center würden nur für Einstellungsgespräche in Anschlag gebracht, der hat sich getäuscht. In der neuen Leistungsgesellschaft müssen sich die Mitarbeiter jährlich der Beurteilung stellen. Und wer da patzt, ist ganz schnell weg vom Fenster. Noch nie hat man so verängstigte Menschen in Maßanzügen gesehen, die verzweifelt versuchen, Lockerheit und Selbstsicherheit zu simulieren. Gruselig, und von Carmen Losmann so präzis ins Bild gesetzt, daß die Kälte dieser Arbeitswelt aus jeder Einstellung spricht.

D 2011, 90 min
FSK 0
Verleih: Film Kino Text

Genre: Dokumentation

Regie: Carmen Losmann

Kinostart: 05.04.12

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.