1982-2006
Label: Universum

Genre: Drama, Liebe

Regie: Pedro Almodóvar

Pedro Almodóvar - Die grosse Edition

Rot. Es konnte nur Rot sein, auch als Farbe einer ersten umfassenden DVD-Box des erfolgreichsten europäischen Filmemachers der Gegenwart. Rot steht für die Liebe, und die speist sich vor allem auch aus Leidenschaft und Begierde. Und einen Film ohne Liebe, ohne Begierde oder gar ohne Leidenschaft gibt es im Werk des Ausnahmeregisseurs Pedro Almodóvar einfach nicht. Und damit keinen Film, in dem Rot nicht eine markante Rolle spielt. Sicherlich war sein bisher letzter Film VOLVER (2006) zugleich sein "rotester". Das lag am Blut, das die Klinge herunter floß, an den Tomaten, die Raimunda für ihre Gäste verkochte, am roten Kleid, das sie trug, und es lag vor allem an der nun gänzlich erblühten Liebe zu einer Schauspielerin, die Almodóvar zuvor in kleineren Rolle bedachte: Penélope Cruz. Sie schickt sich wohl an, den Filmemacher fortan eine Weile zu begleiten, auch der kommende Film LOS ABRAZOS ROTOS entsteht mit ihr in der Hauptrolle. Sie wird Carmen Maura, Victoria Abril und Marisa Paredes beerben, die alle eine Zeit lang mit Spaniens Exportschlager drehten. Bleibt zu hoffen, daß diese noch junge Bande nun ein wenig länger hält ...

Ohne Frage, es ist ein ehrenwertes Unterfangen, das Werk Almodóvars beinahe komplett zu veröffentlichen, sich über Lizenzgrenzen hinweg zu einigen, um einen großen, einen unvergleichbaren Regisseur mit einer Werkschau gebührend zu feiern. Doch - so viel Kritik muß sein - zum kompletten Gelingen eines derartigen Kraftakts gehört doch noch mehr, als nur den Großteil seiner Filme zu bündeln. Denn die Käufer einer solchen Box dürften ausschließlich echte Fans sein. Und die wollen schon mehr als bereits bekanntes und dazu noch relativ karges Zusatzmaterial. Da hätte man mit der meinethalben auch nur originalsprachigen Version von Almodóvars offiziellem Erstling PEPI, LUCI, BOM Y OTRAS CHICAS DEL MOUTON (1980) geliebäugelt oder gern den neben LA MALA EDUCACIÓN (2004) sicherlich düstersten Film MATADOR (1985) noch mal geschaut. Der Pedrojünger hätte gejubelt, wären ein paar der zahlreichen Kurzfilme Almodóvars ausgegraben worden, Titel wie DOS PUTAS, O HISTORIA DE AMOR QUE TERMINA EN BODA (1974) oder SEXO VA, SEXO VIENE (1977) machen einfach neugierig. Der echte Fan hätte natürlich auch zu gern einmal den inoffiziellen Erstling FOLLE ... FOLLE ... FÓLLEME TIM! (1978) gesehen ...

Aber gut, das wäre vielleicht dann doch zu viel der Erwartung gewesen, wobei ein informatives Booklet noch jede Box schmücken sollte, da hätten die Herausgeber durchaus mit dem umfangreichen Material der unter großer Aufmerksamkeit und mit viel Liebe gestalteten Almodóvar-Ausstellung 2006 in Paris arbeiten können. Das alles gibt es nun nicht in der vorliegenden Sammlung, aber dafür natürlich immerhin 14 Filme, das fast komplette Langfilmwerk Almodóvars. Und wenn man sich diese Filme chronologisch noch einmal am Stück anschaut, dann wird einem um so deutlicher bewußt, daß Almodóvar schon von Beginn an "groß" war, daß der Wandel vom schrillen Geschichtenerzähler zum Romancier des europäischen Kinos ein ganz selbstverständlicher ist, weil Almodóvar schon früh ein kluger, ein sich nie über seine Figuren stellender Autor war, einer, der weiter hinaus dachte als über den kurzkalkulierten Schock, die Provokationsarithmetik. Da unterschied er sich ganz bestimmt von anderen Wegbegleitern der beinahe schon verklärten movida. Und deshalb waren einige der früheren Filme sicherlich schrill, schräg, manche gar ein Fausthieb gegen den "guten Geschmack", aber sie waren immer, wirklich immer von Ehrlichkeit geprägt. Ihre Figuren waren ungewöhnlich, aber nie lächerlich, ihre Worte und Taten bisweilen irrational, aber niemals motivlos. Schon deshalb bewegt sich Almodóvar - anders als vielleicht sein Kollege Alex de la Iglesia - niemals am Tellerrand zum Trash.

Almodóvar sagte mal über sich, daß er sich schon jung für die "Dinge" interessierte, die ihn selbst heute noch antreiben. Er war schon immer irgendwie "allein", sah mit zehn Jahren Filme wie Bergmans JUNGFRAUENQUELLE, und seine Faszination dafür kam bei Gleichaltrigen entsprechend merkwürdig an. Daher sieht man in noch jedem Film auch ein ganzes Stück Wehr, nicht verzweifelt, eher kampfesfreudig und siegesbewußt. Die spiegelt sich in vom Leben geprüften Frauen, Grenzgängern, Transvestiten, Künstlern, Nutten und Fixern wider. Und auch als Zeichen einer Wehr, einer Emanzipation, sind seine Filme eben rot. Seine in den 60ern verlassene Heimat La Mancha ist nämlich das Gegenteil, hier ist alles erdig, auch die Farben.

Von LABYRINTH DER LEIDENSCHAFTEN (1982) und DAS GESETZ DER BEGIERDE (1986) über FESSLE MICH (1989) und HIGH HEELS (1991) bis ALLES ÜBER MEINE MUTTER (1999) und schließlich VOLVER - Almodóvars Filme beben spürbar unter dem Hunger nach Freiheit und Ausbruch, Liebe und Haß, Leidenschaft und Hingabe. Zudem merkt man jedem seiner Filme an, daß Almodóvar ein multiples Genie ist: er schreibt und filmt nicht nur, er macht auch Musik, und er malt. Viele seiner Bilder sind im Interieur der Filme zu sehen.

Vor allem aber ist er ein Connaisseur der weiblichen Seele, kein "Frauenversteher", wie manch Kritiker ein wenig herablassend, neidisch oder einfach verunsichert titulierte. Eher einer, der gut nachfühlen und noch besser beobachten kann. Und dann den passenden Ausdruck dafür findet. Einen ganz speziellen, den Almodóvar-Ausdruck, der uns seit Jahren den Atem stocken und fiebrig auf den nächsten Film warten läßt. Auf daß da noch viele folgen ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.