Originaltitel: AQUARELA

GB/D/DK/USA 2018, 90 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Dokumentation, Natur

Regie: Victor Kossakovsky

Kinostart: 12.12.19

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Aquarela

Walle! Walle manche Strecke …

Bezüglich künstlerischer Intentionen befragt, antwortete Regisseur Victor Kossakovsky: „Filme nichts, womit Du auch ohne einen Film leben könntest.“ Das ist diskutierbar, doppeldeutig ohnehin, aber es mag ja zutreffen, daß Kossakovsky sich nur brennende Herzensprojekte von selbigem runterdreht, um weitermachen zu können. Zudem gewinnt es in dieser Doku eine zusätzliche Dimension, denn hier ruht der Blick auf etwas, dessen Fehlen tatsächlich Leben beenden würde. Ausnahmslos jedes Leben – Wasser nämlich.

Und weil Wasser ganz eigene Geschichten zu erzählen weiß, verweigert Kossakovsky den gewöhnlich gern engagierten Off-Sprecher, anderthalb Stunden lang erhebt fast allein das kostbare Naß die individuelle Stimme, flüstert beim Strömen, gerät als gigantische Welle außer sich. Das anfangs spärlich eingestreute Sprechen übernehmen natürlich trotzdem Menschen. Konkret Männer, welche im Baikalsee versunkene Autos bergen – ihre Fahrer verkannten die mangelnde Tragfähigkeit des Eises: „Normalerweise schmilzt es drei Wochen später!“ Mutter Natur besitzt eben weder eine stets im Auge zu behaltende Uhr noch festgezurrte Kalender.

Vorwärts geht die Reise, nächster Halt: Gletscher. Gigantische Teile brechen weg, donnern herab, alltäglicher Vorgang oder fortschreitende Auflösung, Folge des Klimawandels? Kein Kommentar, es herrscht unverändert … pardon … eisiges Schweigen. Die Urgewalt des Geschehens potenziert plötzlich dröhnende Musik, ebenso brachial, fast nervig, man muß sie ausblenden können, sonst stört’s. Ferner sei bedauert, wie selten Kossakovsky Beziehungen des Wassers zur Umwelt sucht – kurz schwimmen mal Delphine rum, ein bunter Fisch huscht vorbei, Ende.

Mehr Interaktion hätte vielleicht das schließlich doch Repetitive zweifellos majestätischer, die Augen quasi überlaufen lassender Aufnahmen gemildert, deren Abwechslungsreichtum langfristig spürbaren Beschränkungen unterliegt. In einigen unvermittelt neue Perspektiven eröffnenden Schlüsselmomenten fächert sich indes die volle, bisweilen gar furchtbare Macht des Wassers, es faszinieren bizarre Packeisformen, vom Schnee berieselte Meere, Schönheit über den Wolken, nach verheerender Flut auf einem Friedhof jagende Reiher.

Zur narrativen Klammer taugt dabei die ungebändigte, hemmungslose Kraft – und ergreift durch kunstfertige Nutzung der Bildebene auch das Publikum.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...