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Barfuß in Paris

Kino als (Pantomimen-)Spiel

Es kann ja nicht jeder in Paris ein- und ausgehen! Und so begibt es sich, daß der seltene Gast oder gar noch jungfräuliche Tourist fragt, ob hier nicht getrickst worden ist. Ob Abel & Gordon als Regieduo nicht die Freiheitsstatue von New York einfach vom Computer aus an die Seine geholt oder sie zumindest derartig aufgeplustert haben, daß sie dramaturgisch in die Handlung paßt.

Nein, nein! Die elfeinhalb Meter große Kopie des Originals gibt es dort wirklich. Sie steht auf der Île aux Cygnes und war dereinst ein Geschenk US-stämmiger Bürger an die französische Hauptstadt. Wieder etwas dazugelernt!

Apropos Geschenk: Die Kunst von Fiona Gordon und Dominique Abel kann man ohne Mühe als solches begreifen. Statt im Nachbereiten zur Digitalisierung zu greifen, benutzen die Kanadierin und der Belgier einfachste Handwerkertricks, um die Sinne zu wecken. Statt das Kino zu revolutionieren, leben sie lieber die elegante Verbeugung vor der Zeit, als es geboren wurde und erblühte. Sie ehren mit Chaplin, Keaton und Tati die Legenden des Films oder mit Marcel Marceau und Jacques Lecoq die großen Pantomimen. Hinzu kommen Varieté, Zirkus, Slapstick als Genres. Der Drang, sich wieder dem Zeitgeist zu verweigern, sei diesmal unwiderstehlich gewesen, sagen Abel & Gordon selbst. Danke, daß sie sich weiterhin aufrecht in die Nische hocken.

Und sich selbst inszenieren. Fiona als Figur lebt in Kanada, wo es am kältesten ist. Dort erreicht sie die Nachricht, daß ihre alte Tante, die seit vielen Jahren in Paris wohnt, Hilfe braucht. Mit rot-weißer Ahornflagge am Rucksack macht sich Fiona auf nach Europa und damit in wilde Tage voller zufallsgesteuerter Aufregung. Denn als sie mit Mühe Tanta Marthas Wohnung erreicht, ist die schon weg. Gestorben, wie Fiona mißversteht. Daß sie sich bald auf der falschen Beerdigung wiederfindet und der aufdringlichen Hilfe des Clochards Dom erwehren muß, meistert Fiona vor allem mit ihrem naiven Unschuldsblick auf die Welt. Dom hat am Fuße jener Pariser Freiheitsstatue sein Zeltlager aufgeschlagen und kämmt gerade an einer kurzen Strähne des Glücks, weil er Fionas Rucksack aus dem Fluß gefischt hat und damit, neben einem neuen Pullover, auch etwas flüchtiges Bargeld besitzt. Während er sich gleich unsterblich in Fiona verliebt, setzt sie alles daran, Tante Martha zu finden. Kreuzende und sich wieder verlierende Wege sind dabei das Triebmittel von BARFUSS IN PARIS, poetische wie vermeintlich simple und „alte“ Tricks die Würze.

Dass aus diesen 83 Minuten eher ein weitmaschiges Netz einzelner Szenen denn eine stringente Handlung wird, kann nur den überraschen, der diesen vierten Abel & Gordon-Film als seinen ersten sieht. Fröhliche Zerfahrenheit bis hin zum leicht Chaotischen bestimmt das künstlerische Konzept der Komiker seit 25 Jahren, erst recht auf der Bühne. Wenn Stoffe von dort vorrangig mit Mitteln von dort auf die Leinwand geholt werden, müssen sie sich nicht selten Vorwürfe gefallen lassen, wonach das Ergebnis „zu wenig Kino“ sei. Abel & Gordon lächeln sie weg.

Sie plazieren auch Running Gags, die nicht zünden. Hier wie anderswo ist es ihre magisch liebevolle und sanfte Art, die ums Verzeihen bittet. Und wenn Fiona Gordon und Dominique Abel dann die großen Emmanuelle Riva (die bald nach den Dreharbeiten starb) und Pierre Richard einen Memo-Tanz der Füße auf dem Friedhof vollführen lassen, muß man sie dafür einfach lieben.

Originaltitel: PARIS PIEDS NUS

F/Belgien 2016, 83 min
FSK 0
Verleih: Film Kino Text

Genre: Komödie

Darsteller: Fiona Gordon, Dominique Abel, Emmanuelle Riva, Pierre Richard

Regie: Dominique Abel, Fiona Gordon

Kinostart: 07.09.17

[ Andreas Körner ]