Originaltitel: CROOKED HOUSE

GB 2017, 116 min
FSK 12
Verleih: Fox

Genre: Literaturverfilmung, Krimi

Darsteller: Glenn Close, Max Irons, Christina Hendricks, Gillian Anderson, Terence Stamp

Regie: Gilles Paquet-Brenner

Kinostart: 29.11.18

1 Bewertung

Das krumme Haus

… als Unterschlupf des Killerkommandos „Bucklige Verwandtschaft“

Daß Agatha Christie ihren 39. Roman „Das krumme Haus“ persönlich favorisierte, verwundert. Sicher, in Christies Krimis war der Begriff „Mörderhatz“ schon immer fehl am Platz, es steht ja stets genug Zeit zur Verfügung, um zwischen zwei Leichen beispielsweise ein bis zwölf Täßchen Tee zu genießen (oder hier eben heiße Schokolade). Trotzdem: Bis auf die tatsächlich zeitlos gewagte Auflösung ist Gediegenheit oberstes Gebot und der ermittelnde Detektiv ein eher blasser Geselle – kein Vergleich mit Miss Marple oder Hercule Poirot!

Beidem trägt diese Verfilmung nun ganz konsequent Rechnung, wählt Entschleunigung zum erzählerischen Ansatz, während der Kameramann durch von Porträts quasi übersäte Korridore flaniert, sich hinterrücks an die Bewohner des titelgebenden Herrenhauses anschleicht, sie vor riesigen Fenstern ablichtet, des Schattenwurfes auf Gesichtern wegen. Nicht nur dort herrscht ewiges Halbdunkel, der Muff kriecht praktisch aus jeder Ecke, Geheimnisse harren der Enthüllung, Unausgesprochenes knarzt im Takt der Dielen, und in seinem Schlafzimmer hat just der fast 90jährige Patriarch den letzten Seufzer getan. Extern unterstützt allerdings, injizierte giftige Augentropfen (!) taten ihren Dienst. Schnell verdächtig: die Witwe, lasziv-rothaarig, Ex-Tänzerin, keine 40. Aber hätte sie nicht die paar Wochen warten können, bis Mutter Natur selbst das tödliche Werk verrichtet?

Gefühlt 20 Familienangehörige hätten Motiv und Möglichkeit gehabt, das großteils verhaßte Oberhaupt ums ultimative Eck zu bringen. Drei Damen dominieren dabei das – männlicherseits ausgesprochen dröge – Ensemble: Christina Hendricks, die oben erwähnte junge Hinterbliebene, mixt im Stil des Goldenen Hollywood Rita-Hayworth-Sexbombenhitze und Marilyn-Monroe-Naivität. Der seltene Kinogast Gillian Anderson als versoffene, scheußlich perückte Schauspielerin aus fünfter Reihe (Krönchengriff!) sorgt, regelrecht cartoonisch übertreibend, ungeachtet stark beschränkter Leinwandzeit für die memorabelsten Momente. Und schließlich schießt sich Flintenweib Glenn Close in die Handlung, um anschließend wiederkehrend garstig-gallige Bonmots loszuballern. Wenn jenes Triumvirat darstellerischen Glücksgefühls zum Abendessen zusammenkommt, nein, zusammenrammt: die blitzenden Augen! Die Dialoge! Wortgefechte säbelscharfer Zungen, mal staubtrocken, dann süffisant triefend, ein wahres Freudenfest.

Mancher zu theatralisch hallende Türenklapp, Anschlußfehler (man schärfe den Blick auf Andersons Zigarette), am Text kauende Steifheiten in der Synchronisation oder fehlende Gelegenheiten, unter Hochspannung gesetzt im Sessel zu knistern, können herrlich nostalgischer „Wer war’s denn jetzt?“-Rätselkost nix schaden. Wundervoll altmodische Dummheiten inklusive – da kurbelt Close, wie früher oft amüsiert gesehen, beim Autofahren auf schnurgerader Strecke unablässig am Lenkrad, und ein beweistragendes Schriftstück wird, um vor der totalen Vernichtung noch lesefähig auffindbar zu bleiben, umständlich in Löschkalk deponiert. Nachdem einige andere, offenbar weniger wichtige Papiere der logisch-windeseilige Flammentod ereilte, die schrecklich versnobte Sippe weiß also grundsätzlich, wie Feuer machen geht ...

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...