D 2019, 99 min
FSK 12
Verleih: Port-au-Prince

Genre: Drama, Musik

Darsteller: Nina Hoss, Ilja Monti, Simon Abkarian, Sophie Rois, Jens Albinus

Regie: Ina Weisse

Kinostart: 23.01.20

5 Bewertungen

Das Vorspiel

Furioses Crescendo mit Mut zur Lücke

Eigentlich sollte man statt „Nina Hoss“ zu sagen lediglich den Nachnamen verwenden, wie’s die Würdigung großer Darsteller häufig tut. So à la „die Deneuve“ oder „la Huppert“; verdient hat’s Hoss schon lange und jetzt noch mal erst recht. Sie mimt Anna, Lehrerin am Musikgymnasium, hat den eigenen künstlerischen Durchbruch verpaßt, projiziert darum höchste Ambitionen auf Sohn Jonas. Und Schüler Alexander, formt ihn zu Jonas’ verhaßtem Vorbild.

So weit die ziemlich kompakte Handlung, welche bloß Gerüstcharakter besitzt, Hoss den Bühnenboden für eine Charakterstudie ersten Ranges verlegt. Nix lärmt und fuchtelt, es reichen seelische Kontinentalverschiebungen andeutendes Augenzucken, zusammengepreßte Lippen, Tonfall-Schwingungen. Hoss liefert eine an Brillanz kratzende Verkörperung, lotet Annas Abgründe aus, bis zum gallebitteren Ende.

Wofür Regisseurin/Autorin Ina Weisse gleichfalls einiger Lorbeer gebührt. Denn obwohl die Bildebene schwer kinodeutsch atmet (tristes Graubraun überall): Weisse kennt Zwischentöne, Schattierungen, Grauabstufungen, sie erzählt nie erklärerisch aus, hält bewußt Leerräume offen, grandios die Figur spiegelnd. Diese Anna steckt voller blinder Flecken, waidwunde Punkte eines Geistes, dessen Perfektionsdrang sich zur Obsession hochschraubte, nicht allein vom frühen Tod der Mutter gezeichnet. Jene nannte ihre tödliche Erkrankung „Disziplinlosigkeit“ … History Repeats Itself, wenn’s niemand merkt und die Spirale stoppt, eifern wir eben auch bei Fehlern unseren Eltern nach. Anna zerbrach daran, zeigt im Lokal zwanghaftes Verhalten, kann nur auf Extreme reagieren, flieht normale Auseinandersetzung, eine scheinbare Vermeiderin und Desinteressierte. Tatsächlich aber Verkrüppelte, die selbst Gefühle artikuliert hören muß.

Weisse komponiert da sogar den deutschen Titel minutiös, zerrupft ihn final geradezu hinterlistig in faszinierende Doppeldeutigkeit, er benennt zwar äußerlich weiterhin den blanken Akt des Vorspielens. Doch tiefer drinnen bricht sich endgültig das Rücksichtslose, Zerstörerische Bahn – dann ist DAS VORSPIEL als Präludium zu verstehen, Überleitung hin zu einem stumm schrillenden Mißton, Annas letztem Blick durch einen Türspalt. So beklemmend fokussiert, daß eventuelle hoffend vorgeschobene Zweifel im Nirgends verhallen: Kein wegsehendes Festklammern am Verneinen mehr, natürlich weiß sie es …

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...