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Die Frau, die sich traut

Abnabelung auf den Wellen

Der Titel führt frontal Richtung Irre, schließlich klingt er nach Samstagabendschmus, in dem ein graues Mäuschen durch äußere (emotionale) Umstände die Emanzipation entdeckt und sich freischwimmt. Nun ist zwar Freischwimmen nicht ganz falsch, auch die Emanzipation stimmt schon, aber nix Samstagabend oder Schmus.

Wir treffen also Beate, eine Frau knapp vor der 50, ohne Mann, mit Kindern. Sohn Alex wohnt inklusive Verlobter bei Mama zu Hause und läßt sich von vorn bis hinten beglucken. Tochter Rike blickt nach gefühlten 20 Jahren Studium dem Examen entgegen, hatte zwischendurch indes irgendwie Zeit zur Fortpflanzung und schiebt, grundsätzlich immer genervt, das Kind zur Oma ab. Beate kümmert sich, macht und tut, ein echtes Leben kennt sie nicht. Bis zur ärztlichen Diagnose: Krebs. Beate schweigt, jemanden belasten? Auf keinen Fall! Doch dann keimt in der Ex-Leistungsschwimmerin ein Traum: „vorher“ den Ärmelkanal durchschwimmen. Ein hartes Training folgt, Zoff mit Rike, und auch Alex steht der Veränderung angesichts seiner schmutzigen Klamotten fassungslos gegenüber: „Die wäscht nich' mehr!“

Solche brutalen Humorstückchen sprenkelt das lebensnahe Drehbuch immer wieder ein, ohne jemals den Grundton zu übertünchen: richtig herb statt zartbitter. Und generell gewinnt dabei auch kaum an Bedeutung, ob Beates Plan letztlich Verwirklichung findet, vielmehr steht im Raum, wie eine selbstvergessen Aufopfernde zu sich findet. Eine, die allein unter der Dusche weint, erst fast zu spät die beste Freundin Henni einweiht, den Schutz anderer über das eigene Schicksal stellt und so riskiert, daran zu zerbrechen, außerdem auch den gut gemeinten Egoismus streift. Wenn sie nicht gerade metaphorisch geschickt als winziger Punkt im riesigen Meer abgelichtet oder von Henni mittels Bootshaken auf den einzig möglichen Weg zurückgeschubst wird.

Abzüge in der B-Note erhält die großartige Erzählung lediglich am Ende, konkret wegen unnötiger, ins Leere laufender Hohe-See-Gefahren-Dramatik, welche auf einen zu ruppigen innerfamiliären Sinneswandel folgt. Hier verheddern sich die bislang straff geführten Handlungsfäden zwar unnötig, aber eigentlich sind solche Betrachtungen ziemlich egal, aus völlig nachvollziehbarem Grund. Diese Beate wird nämlich gespielt – oder besser: verkörpert, beatmet, gelebt – von Steffi Kühnert. Dem gilt es nichts hinzuzufügen.

D 2013, 98 min
FSK 6
Verleih: X Verleih

Genre: Drama

Darsteller: Steffi Kühnert, Jenny Schily, Christina Hecke, Steve Windolf

Regie: Marc Rensing

Kinostart: 12.12.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...