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Die Perlenstickerinnen

Ode ans Handwerk

Bloße Hände, die einen Kohlkopf aus der Erde kratzen, Hände, die geschickt einen Aal ausnehmen und häuten, Hände an der Nähmaschine, die verschlungenen Mustern nachgehen, kunstfertige Hände, die den aufgespannten, transparenten Stoff eines Gewandes mit glitzernden Perlen durchsetzen - und zwischen der Arbeit ruhen Hände auf dem sich ebenfalls aufspannenden Bauch, der unterm Wollpulli nicht mehr zu verbergen ist. Bilder der Natürlichkeit, Bilder der Schlichtheit und Zier des Lebens.

Dort, im Leben, soll die 17jährige Claire einen Platz finden. Nach dem Schulabschluß arbeitet sie im Supermarkt in der französischen Provinz. Die ungewollte Schwangerschaft hält sie vor ihrer Mutter, mit der sie sich nichts zu sagen hat, geheim. Sie will das Kind anonym bekommen und weggeben. Ihren Arbeitskollegen erzählt sie frech, sie habe Krebs und das Kortison lasse sie zunehmen. Ihre einzige Freude sind die Stickereien, die sie in ihrer eher kargen, aber - wie es sich für einen stilbewußten Film gehört - atmosphärisch perfekten Bude ausübt. Bis sie sich bei Madame Melikian vorstellt. Die macht in einem alten Haus - Atmosphäre! - kunstvolle Perlenstickereien für die Pariser Haute-Couture und muß selbst erst wieder zum Leben erweckt werden, da ihr einziger Sohn bei einem Motorradunfall umkam. Die beiden Frauen begegnen sich zur rechten Zeit. Das Handwerk, Madame Melikian sowie die Anziehung zu Guillaume, der auch auf dem Motorrad saß und mit Verletzungen davonkam, werden für Claire zum Lebenselixier.

Da ist es wieder, jenes stille Einverständnis zwischen Frauen, das sich wohl ebenso wenig wie die Natur ergründen läßt. Was aber auch nicht nötig ist. Mit sicherer Hand hat die Regisseurin in ihrem ersten Langfilm die passenden Motive gefunden und sich zudem in das sommersprossige Gesicht und den üppigen roten Haarschopf ihrer Hauptdarstellerin verliebt.

Ihr Film wird insgesamt von einem schönen, ruhigen Bilderfluß getragen, in dem mit Sicherheit auch ein Stück Sehnsucht nach dem guten alten Landleben steckt.

Originaltitel: BRODEUSES

F 2004, 88 min
Verleih: Delphi

Genre: Schicksal, Drama

Darsteller: Lola Naymark, Ariane Ascaride, Marie Felix

Regie: Eléonore Faucher

Kinostart: 19.05.05

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...