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Engel + Joe

Tolle Darsteller in einem wüsten Film

Sie schnorren, saufen Büchsenbier, schnorren, zanken, kraulen ihre ungepflegten Hunde, schnorren, lieben und leben - die Punkclique um den 17-jährigen Engel auf der Kölner Domplatte. Joe reißt von Zuhause aus, der Dauerstreß mit ihrer versoffenen und schwachen Mutter treibt sie fort und direkt in die Arme von Engel. Aus den beiden wird ein Paar.

Der rosa Luftballon schwebt nicht lange, Joes Mutter braucht dringend ihre Hilfe, Engel wird von ihr versetzt und flippt aus: er beginnt wieder zu nadeln, vögelt fremd und es kommt beim baldigen Wiedersehen zum richtigen Zoff zwischen ihm und Joe. Doch sie kriegen sich wieder ein. Später gesteht Joe, daß sie schwanger ist. Der hitzköpfige Punk springt vor Freude im Dreieck. Doch die Misere geht jetzt richtig los: sie brauchen für das Kind und sich eine Wohnung, und dafür benötigt man Geld. Engel will das regeln! Wird er auch. Mit einer Spielzeugpistole raubt er eine Tanke aus. Jetzt heißt es für die beiden: ab in die Berge. Der Sehnsucht nach Ruhe und Anonymität kommen die Bullen in die Quere: Engel muß in den Knast, Joe ist wieder allein...

Schade! Brillante Darsteller, eine generell sehr warmherzige und echtes Leben atmende Geschichte - aber trotzdem irgendwie fehlgeschlagen. Das mag auch an den teilweise erschreckenden Dialogen liegen. Die beiden Aussteiger müssen sprachliche Geschwülste würgen, die nur Intellektuellen einfallen können, die - weil sie vor 15 Jahren hinterm Garagentor auch mal ’nen Joint geraucht haben - denken, den Punkbär steppen lassen zu müssen. Bild und Spiel finden oft nicht zueinander. Das ist traurig, weil hin und wieder Licht im Tunnel scheint: Wenn Engel und Joe durch herbstliches Laub rennen und toben, dann wird (Kino-) Intensität erreicht, die aber nur kurz vergessen läßt, daß sich Vanessa Jopp nach dem überzeugenden VERGISS AMERIKA einfach den für sie ungeeigneten Stoff ausgesucht hat.

Auf die Idee muß man erstmal kommen: am Ende fahren Engel und Joe mit dem Zug durch das Dunkel der Nacht. Eben noch voll auf Turkey erwacht der süchtige Engel, sieht das gleißende Licht der schneebedeckten Berge und ist clean. Nie pünktlich, aber ein echter Methadon-Ersatz. Ein Hoch auf die deutsche Bahn.

D 2001, 95 min
Verleih: Prokino

Genre: Stummfilm, Liebe, Drama

Darsteller: Robert Stadlober, Jana Pallaske

Regie: Vanessa Jopp

Kinostart: 25.10.01

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.