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Engel mit schmutzigen Flügeln

Eine arg verklemmte Provinzfrivolität

Das Beste, was man dem Film noch nachsagen kann, ist, daß er langweilt. Weil er hohl ist. Und darüber hinaus vollends unnötig. Aber wer oder was entscheidet schon darüber, welcher Film gebraucht wird und vor allem welcher nicht? Es wird nun mal immer Menschen geben wie Roland Reber, die – das kann man jetzt wirklich nicht aufhübschen – keinerlei Gespür für Dramaturgie, Bildsetzung, Tempo, Cast und Plot haben und dennoch Filme drehen. Die zudem ausgestellten Fetisch mit subtiler Sinnlichkeit verwechseln, die Privates mit Dienstlichem vermengen. Aber das können ja noch nicht mal überambitionierte Außenministerdarsteller.

Die Atmosphäre des Films ist wohlwollend noch mit der eines Swingerklubs verglichen, wobei dessen Kundschaft allesamt aus dem Dunstkreis Rebers und des krawalligen Medienunternehmens wtp stammt, das mit einiger Beharrlichkeit auf den Appendix „international“ pocht. Davon ist dem Film nichts anzumerken, er spielt im Ländlichen, im reichlich gesichtslosen Terrain aus deutschen grünen Wiesen und deutschen lehmigen Seen. Auf und an solche zieht es mit Vorliebe die kesse Lucy, denn sie hat das Ziel, endlich dazuzugehören, zu den beiden lederbejackten Bikergirls Michaela und Gabriela. Genau, die Namen verraten es schon, es geht irgendwie um Engel, und Lucy, die Gefallene, muß halt Einiges tun, um Zutritt zu diesem vage skizzierten Bündnis zu erlangen. Und da ist eben oberstes Gebot, so zu sein, wie man ist. Weshalb die erzigen Flügelfiguren Michaela und Gabriela ein wenig unmotiviert in den Aufzeichnungen Lucys lesen und schnell zu einem kaum verblüffenden Resultat kommen: Lucy ist eine geile, verlogene Schlampe. Und die soll sie nun ausleben ...

Wann die Geschichte kommt? Fragen Sie diejenigen, die diese schwüle Altherrennummer verbrochen haben. Dabei war die erste Drehbuchzeile so wunderbar fatalistisch: „Hauptsache, es passiert was!“ Dieses Versprechen wird nicht eingelöst, stattdessen donnern die schranzigen Mädels ewiggleich auf ihren Bikes durch die Botanik. Lucy tut dies im Übrigen gern auch mal als Nackedei auf dem Quad, bückt sich anschließend und unmißverständlich vor ergrauten Herren am Baggersee, um sich kurz darauf in etwaigen Etablissements von pickligen Kartoffelchipsfressern mit Speckfingern befummeln zu lassen. Lohnt es sich, diesen Film irgendwie „nieder“ zu machen? Wahrscheinlich nicht, das tut er schon ganz und gut von allein. Andererseits aber ja! Denn diese Lustfrönelei gebiert sich derart weltverbesserisch, daß man das Kotzen kriegen könnte. Wenn Reber sich wenigstens trauen würde, aber nein, da spickt er end- und sinnlos aufgeblasene Parolen mit frivolen Szenen, die genau so erotisch oder aufheizend rüberkommen, als hätte Mutter Beimer sie sich erdacht. Unappetitliche Figuren spielen mit debil verzerrten Gesichtern Porno.

Klemmig, spießig und unaufhaltsam verquatscht ist das Ganze. Da wird mal von Sozialkompetenz palavert, dann wieder ergießt sich die Hauptfigur in Erbaulichem wie, daß Männer scharf und spendabel gemacht werden müssen. Wenn es wenigstens darum hier ginge, dann gäbe es zumindest was für die Augen. Aber für Bilder interessiert sich Reber nicht, vielleicht hätte er als Ghostwriter in der Hörspielabteilung der Adult-Entertainment-Branche sein Glück versuchen sollen. Retten könnten sich die Macher allenfalls mit der Allzweckwaffe, daß eben doch alles nur ironisch sei. Schön, das ist an mir dann aber vorbeigegangen. Und – ob augenzwinkernd oder nicht – ziemlich zweifelsfrei dürfte die Irrung der drei Engel sein, wenn sie final und im Fortsetzungsfieber meinen: „Da draußen warten noch viele auf uns ...“ Laßt’s gut sein!

D 2009, 86 min
Verleih: wtp international

Genre: Drama, Erotik

Darsteller: Antje Nikola Mönning, Mira Gittner

Regie: Roland Reber

Kinostart: 01.04.10

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.