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Festung

Zu früh zu groß

Daß dieses Drama beim Nachwuchsfestival „Max Ophüls“ den Preis der Jugendjury bekam, überrascht nicht. Die vage Hoffnung der Urheber, daß FESTUNG nunmehr gerade bei Jugendlichen im Tageseinsatz und auf großer Leinwand größere Chancen hätte, ist aber grundlos. Das liegt an Entscheidungen des Verleihs, aber auch an der Qualität von Kirsi Marie Liimatainens Streifen.

FESTUNG meint Familie. Besonders die beiden noch zu Hause lebenden Töchter Johanna (13) und Moni (6) müssen Kämpferinnen sein statt einfach nur Kinder, wenn sich die Eltern blutig schlagen. Präziser, wenn der Vater auf die Mutter eindrischt, sie sich ihm ergibt, im Glauben an eine Besserung längst resigniert hat. Immer wieder ist ihr Mann weg und wieder da, fährt los, kommt an. Nach außen hin wird in der hessischen Kleinstadtsiedlung so viel wie möglich Schein gewahrt. Das Tuscheln der Nachbarn aber weiß Bescheid. Und die laute Musik in Johannas Zimmer kann gegen die Schreie nicht an.

Johanna muß auf ihrem pubertären Weg zu früh zu groß sein. In der Schule ist sie als schrullig verschrien und isoliert, die Hinwendung zum etwas älteren Christian ist eindeutiges Fluchtverhalten, hat kaum Chancen für eine wunderbare erste Liebe, die an der Reihe wäre. Johanna muß sich in ihrer Zerrissenheit den Erzeugern gegenüber aushalten – und nebenbei noch funktionieren. Die große Schwester Claudia (20) ist längst weg, aber eben auch da.

Der Zuschauer kann sich FESTUNG wichtig reden, was er als thematische Reflexion auf Realitäten sicher auch ist. Leider hält er den Anspruch weder optisch noch dramaturgisch wirklich aus. Zu unentschlossen verweigert sich die finnische Regisseurin einem klaren Fokus auf Johanna. Zu unscharf will sie von Wahrheiten hinter Häuserwänden erzählen. Daß dabei auch die einzelnen schauspielerischen Leistungen arg zwischen Textsagen und Präsenz schwanken, erledigt den eher schwierigen Rest.

Schade ist, daß es ein ähnlich geartetes, weitaus besseres Drama desselben Verleihs in diesen Breiten gar nicht erst auf die Leinwand geschafft hat. FÜR ELISE erzählt konsequent aus der Sicht eines jungen Mädchens von ihrem Leben mit der alkoholkranken Mutter. Hier hilft wohl nur das Warten auf die TV-Ausstrahlung, wo auch FESTUNG durch die ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ schon fest gebucht ist. Fürs Kino, das wir lieben, ist das nicht eben zuträglich.

D 2011, 87 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Ursina Lardi, Peter Lohmeyer, Elisa Essig, Ansgar Göbel, Karoline Herfurth

Regie: Kirsi Marie Liimatainen

Kinostart: 29.11.12

[ Andreas Körner ]