Originaltitel: FOXCATCHER

USA 2014, 134 min
FSK 12
Verleih: Koch Media

Genre: Drama, Psycho

Darsteller: Channing Tatum, Steve Carell, Mark Ruffalo, Sienna Miller, Vanessa Redgrave

Regie: Bennett Miller

Kinostart: 05.02.15

9 Bewertungen

Foxcatcher

Spinnennetz, Exzentriker und brillante Schauspieler – ein Paradestück über Destruktion

„Wie dem auch sei: Ringen ist ein niederer Sport.“ Es ist schon frappierend, mit welcher Mischung aus emotionalem Nachdruck und aristokratischer Kälte eine alte, kultivierte Dame so einen Satz sagen kann. Ins Gesicht ihres erwachsenen Sohnes, der für kaum etwas so viel innige Leidenschaft hegt wie eben fürs Ringen.

Und vielleicht ist es diese Szene in Bennett Millers neuestem Film FOXCATCHER, in welcher der Schlüssel zu finden sein könnte. Der Schlüssel zu diesem seltsamen Charakter des John E. du Pont. Dem exzentrischen Multimillionär mit dem Habitus des selbstbewußten US-Ostküsten-Geldadels, bei welchem Geschäftssinn sich allemal als eine Form des Patriotismus manifestiert. Und Patriotismus wiederum ein mentaler Grundbaustein jedes echten Amerikaners zu sein hat.

Mit letzterem zumindest kann Freistil-Ringer Mark Schultz dienen. Auch wenn er das selbst so dezidiert nie artikulieren würde. Schlicht, weil Mark nicht sehr begabt ist, was das Artikulieren betrifft. Ein Typ, dessen Gedankengänge so differenziert sind wie sein ewig stur stierender Gesichtsausdruck. Ein Typ, für den es nie etwas anderes gab als seinen Sport. Mit dem gewann er 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles Gold. Gemeinsam mit seinem Bruder Dave, der in einer unteren Gewichtsklasse triumphierte.

Drei Jahre danach setzt die Handlung von FOXCATCHER ein. Und während Dave ein Familienleben in Zufriedenheit führt, ist Mark wie eingesponnen in einem Kokon aus Einsamkeit und dem Ausrichten seines Lebens auf das einzige, was es für ihn lebenswert macht: das Ringen. Und so pendelt Mark am sozialen Abgrund hin und her zwischen seiner deprimierend häßlichen Junggesellenbude und den Trainingshallen der Stadt. Eine hoffnungslose, fast autistische Grau-in-Grau-Existenz. Bis zu dem Tag, an dem John E. du Pont ihn kontaktiert.

Und FOXCATCHER seine Geschichte wie ein Spinnennetz zu weben beginnt. Als ein Ausbreiten von Nuancen, Stimmungen, Kontrasten. Und ganz wie eben bei einem Spinnennetz verfügen sich viele Fäden zu einem einzigen faszinierend filigranen Gebilde. Einem, das man bewundernd anschaut. Und von dessen Konstruktion man eher unmerklich als unmittelbar gefangen wird. Was dieser du Pont nun will, scheint dabei erst einmal ganz einfach: Aus seinem Neu-England-Riesenanwesen ein Ringer-Trainingslager machen. Es gilt, Gold für Amerika zu holen. Zur kommenden Weltmeisterschaft erst, zu den nächsten Olympischen Spielen dann. Das ist es, worum es du Pont geht.An der Oberfläche jedenfalls. Was indes darunter zunehmend spürbar wird, ist diese tiefe, existentielle Leere, die dieser Mann zu füllen versucht, ohne daß ihm das jemals wirklich klar erscheint – oder gelingen könnte. Eine Leere, die wie ein Sog wirkt. Wie ein zwar still, aber nichtsdestotrotz fatal zirkulierender Mahlstrom.

Womit nach seinem famosen CAPOTE Regisseur Bennett Miller jetzt erneut daran ging, das von wahren Begebenheiten vorgeformte Porträt eines Exzentrikers zu zeichnen. Doch nicht, daß sich FOXCATCHER darauf begrenzen ließe. Ist der Film doch – auch darin CAPOTE nicht unähnlich – eine Einsamkeitsstudie, ein Beobachten vergeblicher Sinnsuche. Und ein Stück Schauspieler-Kino erster Güte außerdem. Gilt nicht nur für die formidable Darsteller-Trias aus Steve Carrell (du Pont), Mark Ruffalo (Dave) und Channing Tatum (Mark), die das Kraftzentrum dieses Films bildet. Eines Films, über den man nicht sprechen kann, ohne Vanessa Redgrave zu erwähnen. In wenigen kurzen Szenen als John E. du Ponts Mutter bietet die Grand Dame des Kinos schlicht grandios darstellerische Momente einer eisigen, wissenden Prägnanz. Vielleicht als Einzige sehend und begreifend, welches Destruktionspotential in ihrem Sohn steckt – und welch’ fatale psychische Instabilität der Konstellation innewohnt, die diese drei Männer verbindet.

Daß dies die finale Katastrophe nicht verhindern wird, versteht sich von selbst. Schließlich richtet sich schon die Wirklichkeit nach den Gesetzen der Tragödie, wurden doch schon die „wahren Begebenheiten“ dieser Geschichte danach gesponnen. FOXCATCHER folgt dem in still konzentrierter Konsequenz.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.