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Havanna mi amor

Wenn Fernsehen glücklich macht ...

Fernsehen und Leben scheinen in Havanna eine ganz besondere Verbindung eingegangen zu sein. Eine neue Telenovela wird ausgestrahlt, und schon macht sich die halbe Stadt auf den Weg, um die zärtlich umhegten Uralt-Fernsehgeräte, größtenteils massive russische Fabrikate mit allerhand technischen Macken, einer Grundüberholung zu unterziehen. Glücklich, wer da Beziehungen zu entsprechenden Fachleuten hat.

Silai, die Chefin eines Friseursalons im Zentrum der Stadt, nutzt die Gelegenheit zu einem Tauschgeschäft mit dem Fernsehmechaniker José, der dringend einen Haarschnitt braucht und im Gegenzug seine Dienste anbietet. Nach einem langen Arbeitstag verfolgt Silai allabendlich mit Rührung und Begeisterung die Episoden der Endlosserie, die ihren eigenen Erlebnissen an Dramatik wohl in nichts nachstehen. Verliebtsein, Eifersucht und finanzielle Sorgen. So oder ähnlich geht es allen Kubanern, die in Uli Gaulkes Dokumentation zu Wort kommen:

Marino, der zuerst seine Frau für eine jüngere ablegte und nun deren abgelegte Fernseher aufträgt, Felix, der Juana neben seiner innigen Liebe auch ein modernes Sony-Gerät bieten möchte.

Mit viel Einfühlungsvermögen und behut-samen Fragen entdeckt Gaulke ihre verwickelten Geschichten und gibt den Blick auf eine Haltung frei, die den schwierigsten Umständen mit Optimismus Lebensfreude abtrotzen kann, auch wenn das oft sehr schwer fällt.

Kaputte Fernseher auf dem Weg zur Reparatur - aus dieser kleinen Beobachtung wird die große Metapher für den Stillstand im politisch-ökonomischen Niemandsland auf halbem Weg zwischen Zusammen- und Aufbruch. Doch glücklicherweise dient sie nicht als verbissenes Statement. Nur so ist es möglich, die skurrilen Bilder einzufangen, die diesen Film nicht nur klug, sondern auch überaus unterhaltsam machen.

Spätestens seit BUENA VISTA SOCIAL CLUB ist hierzulande das Interesse an karibischem Lebensgefühl gestiegen, und man muß hoffen, daß Uli Gaulkes Dokumentation vom Publikum mit ebensolcher Begeisterung aufgenommen wird - gerade weil er das Musikalische im Alltag Havannas auf anderen Wegen sucht.

D 2000, 80 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Musik, Schicksal

Stab:
Regie: Uli Gaulke
Drehbuch: Uli Gaulke

Kinostart: 13.07.00

[ Sylvia Görke ]