Noch keine Bewertung

Im Weltraum gibt es keine Gefühle

Die Unberechenbarkeit der Romantik

Die Skarsgårds sind ein richtiger Schauspieler-Clan. Vater Stellan ist der berühmteste. Und vier seiner Kinder folgen ihm nach. Der jüngste, Bill, durfte nun in der Rolle des 18jährigen Simon beim Rennen um den Auslands-OSCAR antreten, für den IM WELTRAUM GIBT ES KEINE GEFÜHLE eingereicht wurde. Hand aufs Herz, für solch einen Preis ist der Film doch eine Nummer zu harmlos. Aber: Dafür ist er genau die kleine, freche schwedische Komödie, die man einmal im Jahr gerne sieht.

Zu Simon also: Der hat Asperger, eine besondere Form des Autismus. Aber Autor und Regisseur Andreas Öhmann, der selber noch zur ganz jungen Garde zählt, macht daraus keinen Themenfilm. Er stellt uns einfach Simons Welt vor, in der alles streng kreisförmig geregelt und auf Sekunden genau getaktet ist. Wenn ihm alles zu viel wird, zieht er sich in eine Tonne zurück. Und lebt in seiner Fantasie seine Vorliebe für Weltraumreisen aus. Nur sein großer Bruder Sam kann ihn da heraus- und auf die Erde zurückholen – per Funk. Bei dem zieht er zu Beginn des Filmes ein, was verständlicherweise dazu führt, daß dessen langjährige Freundin auszieht. Denn Simon ist eine solch egomanische Nervensäge, daß man ihn am liebsten eigenhändig in seine Tonne zurückstopfen möchte.

Sams Welt bricht zusammen, und das bringt Simon dazu, aktiv zu werden. Er muß für den Bruder eine neue Freundin finden, damit alles wieder funktioniert, und immer eine Frau für den Abwasch da ist. Das bereitet er streng wissenschaftlich vor. Doch die Begegnung mit der Emotionschaotin Jennifer durchkreuzt alle seine Berechnungen. Und auch wenn Simon die ultimativ-romantische Nacht inszeniert, unter Zuhilfenahme sämtlicher Hugh-Grant-Filme: Ganz ohne Gefühle geht es eben doch nicht.

Öhmann hat seinen Film sehr gut berechnet. Er weiß, daß eine kleine Portion Bosheit nicht schlecht ist. Und er schaut ein wenig bei den Großen ab: Etwa bei RAIN MAN, wenn Simon, weil das Klopapier alle ist, in das Schlafzimmer seines Bruders platzt, während der gerade Sex hat. Und bei AMÉLIE: beim Erzähler, bei der Visualisierung der Gedankenwelt (Emoticons über den Köpfen der Menschen indizieren ihre Stimmung) und bei der rasanten Vorstellung der Nebenfiguren mit ihren ganz eigenen Ticks. Das kann man dem Film natürlich vorwerfen. Und doch tritt ein, was nach Berechnung eintreten soll: Man will, daß irgendwer sich bekommt.

Originaltitel: I RYMDEN FINNS INGA KÄNSLOR

S 2010, 90 min
FSK 6
Verleih: Arsenal

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Bill Skarsgård, Martin Wallström, Cecilia Forss

Regie: Andreas Öhman

Kinostart: 24.11.11

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...