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Import Export

Radikal, präzise und zwingend - ein echter Ulrich Seidl

Es sind zwei Geschichten, unterschiedlich in ihrer Richtung, in einer Gegenbewegung von IMPORT EXPORT erzählt, in Österreich und in der Ukraine beginnend. Da ist Olga, die etwas haben will von ihrem Leben, Kind und Land verläßt und weggeht, raus in den Westen, wo sie schließlich als Putzfrau in einer Geriatrie in Österreich landet. Und Pauli, eben zum Security-Wachmann gedrillt, verliert er auch diesen Job schon wieder, hat Schulden überall und muß sich verdrücken. Raus aus Wien verschlägt es ihn gen Osten.

Ulrich Seidl entfaltet neuerlich ein filmisches Tableau zwischen Inszenierung und Realität, zwischen Fiktivem und Dokumentarischem. Einmal mehr zwingt er den Blick auf das, was keiner sehen will, und einmal mehr verlangt dies nach einem offenen Geist und einem lebendigen Gefühl. Authentizität kann nur aushalten, wer sich eine solche bewahrt. Und Seidl ist radikal. In seinen Themen, in seiner Erzählung, in der Inszenierung. Die Komposition grandioser Bilder, immer auf ein Zentrum hin und oft stilisiert, die langen, unbeweglichen und doch überraschenden Einstellungen oder die fast verhalten wirkenden Kamerafahrten geben den Raum vor, den es zu betreten gilt. Auch wenn man sich fürchtet. Vor den (überwiegend authentischen) Orten der Armut, der Einsamkeit, der Erniedrigung und Gewalt. An diesen agieren Laien (hier die Hauptdarsteller), Schauspieler und reale Personen, ohne daß eine Differenz auszumachen wäre.

Eine Hilfestellung Seidls, das Schreckliche zu ertragen, ist ein Humor, der auch in IMPORT EXPORT immer Schnittstellen zwischen Tragödie und Komödie erkennen läßt und zuweilen die Qualitäten eines Subtextes erreicht. So passiert Olga in einer Szene ein Denkmal ferner Zukunftsverheißung, und Pauli, ein aggressionsgeladener junger Mann, reitet in der Selbstvergessenheit eines stillen Träumers auf einem Spielplatzpferd. Das Balance-Halten zwischen einer Gesellschaftskritik, die sich eines dokumentarischen Gestus bedient und zwei fiktiven Geschichten, die ihre Figuren nicht an einen moralischen oder gar wegweisenden Impetus verraten, beschreibt Seidls neuen Film vielleicht am besten. Olga und Pauli haben Angst vor dem Tod, ersehnen die Liebe und suchen das Leben. Was wäre nachvollziehbarer?

Österreich 2007, 135 min
Verleih: Movienet

Genre: Drama

Darsteller: Ekateryna Rak, Paul Hofmann, Michael Thomas

Regie: Ulrich Seidl

Kinostart: 18.10.07

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.