D 2015-2017, 75 min
FSK 6
Verleih: jip

Genre: Dokumentation

Regie: Tom Fröhlich

Kinostart: 09.05.19

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Ink Of Yam

1001 Gründe, sich tätowieren zu lassen

Jerusalem, so wird erzählt, ist die einzige Stadt, nach der eine psychische Störung benannt wurde: das Jerusalem-Syndrom, das mit religiösen Wahnvorstellungen einhergeht. Mag sein, daß der eine oder andere Patient mit dieser Symptomatik Kunde in Pokos und Daniels Tattoo-Studio wird, das in einem Gäßchen am Rande der Altstadt liegt. Auf jeden Fall geben sich Stadtbewohner mit ganz unterschiedlichem religiösen Hintergrund, Menschen mit und ohne Nah-Ost-Traumata, Menschen mit diesem oder jenem Lebenswandel hier die Klinke in die Hand. Sie alle haben ihre Geschichten, die sie unter dem Schmerz der Nadel preisgeben.

Nehmen wir also Platz im „Bizzart“-Tattoo-Studio und lauschen den Anekdoten der Tätowierer. Von dem Amerikaner, der in Jerusalem lernen wollte, ein guter Jude zu sein, aber vorher noch den letzten freien Platz auf seinem Körper füllen wollte. Von der Frau, die sich einen Drachen tätowieren ließ, nachdem sie ein Attentat erlebt hatte. Lauschen wir den Gesprächen mit Kunden und erfahren, warum sie sich welches Motiv stechen lassen. Die Gründe, so hören wir, sind in Jerusalem dieselben wie woanders, nur gibt es noch viel mehr Gründe. Sehr oft ist eine religiöse Komponente dabei. Es geht um Zugehörigkeit, um das Brechen von Verboten, um das Tattoo als Schutz oder Segen oder um „meine Fehler auf meiner Haut.“

Die Idee, ein Porträt der Stadt Jerusalem über die individuellen Geschichten hinter den Tattoos zu erzählen, ist verheißungsvoll. Doch zu selten löst sich das Versprechen ein, und der Film findet nicht ins Flußbett einer stringenten Form. Er hätte ein konzentriertes dokumentarisches Kammerspiel werden können. Allerdings mangelt es dafür an einem sorgfältigen Aufbau von Atmosphäre. Stattdessen schickt uns die Kamera immer wieder hinaus in die Stadt und reproduziert, von einem eintönigen Klangteppich begleitet, die altbekannten Jerusalem-Bilder.

Dafür erscheinen viele wirklich interessante Geschichten nur am Wegesrand. Was bedeutet es zum Beispiel, daß Daniel und Poko miteinander die Erfahrung teilen, aus einem anderen Land zu stammen, der Sowjetunion, das nicht mehr existiert? Macht es sie immun gegen das Jerusalem-Syndrom? Macht es sie empfänglicher für ihre Kunden? Man hätte all diese Menschen wirklich gerne kennengelernt, das heißt filmisch erlebt. Doch leider findet die Nadel nicht unter die Haut. Die künstlerischen Tattoos der beiden bleiben sehr allgemeine Symptome.

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...