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Katze im Sack

Keine Liebe nirgendwo?

Das Plakat gibt sich gleichermaßen offen wie rätselhaft: "Ein Liebesfilm für alle, die keine Liebesfilme mögen." Besser hätte er in der Tat nicht auf den Punkt gebracht werden können, dieser seltsam faszinierende Reigen um Doris, Karl und Brockmann.

Kellnerin Doris, eben von der Beerdigung ihrer Mutter nach Hause fahrend, lernt im Zug Karl kennen, über dessen Vergangenheit niemand Genaueres weiß, das Publikum inklusive. Obwohl er anfangs stört, ziehen sich die beiden Außenseiter naturgemäß an, weswegen es bald zu einem erneuten Treffen kommt. Doch Doris unterhält – eher aus Mitleid – eine reichlich bizarre, von Voyeurismus und Verzweiflung geprägte Affäre mit dem völlig kaputten Sicherheitsfachmann Brockmann, der locker ihr Vater sein könnte. Den Mut, das eingefahrene Selbstbild zu überdenken, vielleicht sogar etwas zu wagen, bringen sowohl Doris als auch Karl nicht auf. So taumeln alle Beteiligten durch eine schier endlose Nacht voller Sehnsucht, Lüge, Betrug und Erniedrigung – immer auf der Flucht vor dem eigenen Ich.

Es braucht nicht viel, diese niedergeschriebenen Figuren zu echten Menschen zu erwecken: eine flirrende Kamera, die sämtliche Darsteller umschwärmt wie Motten das Licht, um stets neue Facetten zu entdecken. Den stimmungsvollen Soundtrack zur akustischen Präzisierung des Gesprochenen. Walter "Brockmann" Kreye, wie er sich in einer Karaoke-Bar die geschundene Seele aus dem Leib krächzt. Und eine Geschichte, welche großteils atmosphärischer, gefühlter Natur ist, ihre Schönheit oftmals ins Dunkel der bekanntlich nicht nur alle Katzen grau erscheinen lassenden Nacht hüllt oder unter einem Mantel aus Verzweiflung verbirgt. Dennoch läßt sie zu, daß sich immer wieder kurze Szenen großer Zärtlichkeit Bahn brechen.

Darin enthalten sind sogar drei Sekunden der absoluten Wahrheit: Karls Gesichtsausdruck nach dem Sex. Doris’ zuckende Mundwinkel beim ersten Wiedersehen. Vor allem aber der Blick von Brockmann auf sein Handy, welcher mehr sagt als 1000 Worte.

D 2005, 86 min
Verleih: Jetfilm

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Jule Böwe, Christoph Bach, Walter Kreye, David Scheller, Dirk Borchardt

Regie: Florian Schwarz

Kinostart: 14.04.05

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...