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Liebe auf Sibirisch

Geschlagen, getrennt, abgehauen

Was die Liebe eigentlich ist, gehört wohl zu den elementarsten Fragen der Menschheit. Und weil bis heute keine abschließende Antwort gefunden wurde, wird immer weiter danach gesucht. Olga Delane lebt seit 20 Jahren in Berlin und ist der typische Großstadtsingle: Mitte 30, kinderlos und ohne Ehemann. Eigentlich das Normalste von der Welt. Doch dort, wo sie geboren wurde, im östlichen Sibirien, gleicht ihr Lebenswandel der einer Exotin. Also macht sie das, was Filmemacher machen. Sie durchwühlt die eigenen Wurzeln, um zur Essenz ihres Lebens zu gelangen.

Mit der Kamera reist sie nach Rußland und befragt Verwandte und Bekannte nach ihrem Liebesleben. Das Bild aber, das sich von den Bewohnern des kleines Dorfes, weit östlich des Baikalsees, zeichnet, ist düster. Ehemann und Kinder sind alles, was einer Frau Anerkennung verspricht. Die Frau wird quasi als Untertanin des Mannes gesehen, Gefühle spielen nur eine Nebenrolle. „Wir sind seit 40 Jahren zusammen, aber ich weiß nicht, ob sie mich liebt“, sagt Tolja über seine Frau Galja. Früher hat er sie geschlagen, heute hilft er ihr in der Küche. Dann sind da Sascha und Ira, die für ihre 17jährige Tochter bereits einen Ehemann ausgewählt haben, den diese aber nicht liebt. Nikolai wurde von seiner Frau sitzengelassen und muß sich nun allein um die beiden Kinder kümmern.

Auch wenn die Regeln für ein zwischenmenschliches Miteinander klar formuliert sind, so ist die emotionale Zustandsbeschreibung doch erst mal erschreckend. Nicht nur, daß das Leben auf dem Land hart und entbehrungsreich ist, auch das Liebesleben der Bewohner spielt sich eher in der Kältezone ab. Erst nach genauerem Hinsehen wird zwischen dem immer gleichen Alltag und der schweren Arbeit jenes Glück sichtbar, das es zum Leben im Nirgendwo und in einer monogamen Beziehung braucht. „Das ist Freiheit“, sagt die 36jährige Hausfrau und Mutter Ljuba, als sie allein mitten im Wald steht. Das sind die schönen Momente im Film, bleibt doch der Eindruck, daß die Filmemacherin ihr eigenes Werteverständnis zuweilen zu wenig beiseite legen kann, etwa, wenn sie die Frauen mit dem Begriff Feminismus konfrontiert und logischerweise auf Unwissen stößt.

Am Ende aber schafft es Delane, ein Gefühl zu hinterlassen, wonach die Liebe eine Mischung aus Ausharren und Sichselbstsuchen ist, eine Gratwanderung zwischen den inneren Bedürfnissen und den äußeren Umständen, die das Leben einkreisen. Das ist zwar keine eindeutige Antwort, aber wenigstens eine, die überall gültig ist: in Berlin und in Sibirien.

D 2016, 79 min
FSK 0
Verleih: Drop-Out Cinema

Genre: Dokumentation

Regie: Olga Delane

Kinostart: 16.11.17

[ Claudia Euen ]