Originaltitel: LOVE, SIMON

USA 2018, 120 min
FSK 0
Verleih: Fox

Genre: Schwul-Lesbisch, Erwachsenwerden, Tragikomödie

Darsteller: Nick Robinson, Jennifer Garner, Josh Duhamel

Regie: Greg Berlanti

Kinostart: 28.06.18

18 Bewertungen

Love, Simon

Herzensstürmer und Mutmacher

Zu Recht hat man gestöhnt, ob der endlos vielen Coming-Out-Filme, die in den letzten zehn Jahren mal im Kino, mehr aber noch fürs Heimspiel erschienen sind. Zu Recht gestöhnt, weil sie wenig Neues boten, das klapprige Handlungsgerüst durchschaubar wie Mitropakaffee war, und man irgendwann von den wehleidigen Heulbojen den Kanal voll hatte, die ein solches Theater machen, nur weil sie eben schwul sind. Und dann drehen sich doch wieder die Zeiten, und dann kommt einer wie Simon ums Eck. Die sich wandelnden Zeiten, an sich überall, aber eben auch und vor allem in den USA, zeugen von einer schwindenden Offenheit, einer schmaler werdenden Toleranz Anderen und Andersliebenden gegenüber, wodurch Übergriffe gegen Schwule und Lesben belegbar zunehmen.

Und was sich nun so ganz ernst liest, wird in LOVE, SIMON gottlob geradezu federleicht und doch tief berührend aufgegriffen, denn Simon wird sich zwar schwertun, seinen Eltern und Mitschülern von seinem Schwulsein zu erzählen, uns als Zuschauern vertraut er sich hingegen unbekümmert hat, wir halten ja auch dicht, aber ansonsten ist er keiner, der sich vor lauter Gram im Schlabberlook und mit dauersaurer Miene über den Schulhof schleppt. Vielmehr ist er ein heller Kerl, der genug Freunde hat, ein paar beste Freundinnen sowieso, dem vieles glückt, aber etwas Bedeutsames auf die Leber drückt. Daß sich Simon mit seinem Outing etwas schwertut, hat Gründe: In einem Land, in dem man mit 16 Auto fahren darf, in dem ein Waffenschein zum guten Ton gehört, ist es noch immer oder – wie gesagt – schon wieder schwer, offen zu sein, zu dem zu stehen, was einen auch ausmacht. Und wenn der Vater, an sich ein klasse Typ, auch noch unbedacht von Oberschwuchteln faselt, na, da hält sich doch jeder, der halbwegs bei Verstand ist, ein wenig zurück.

Doch dann trifft Simon auf Blue im Chat, ein Mitschüler, der sich zumindest online zum Schwulsein bekennt, und die Qualität der „Gespräche“ zwischen den beiden ist verblüffend: liebevoll, neugierig, sich alles zwischen erstem Sex, Daniel Radcliffe und „Game Of Thrones“ anvertrauend, die Mails sind zärtlich geschrieben, kein platt-aufgeilendes Planetromeo-Geblöke. Es ist herzrührend, wenn sich Blue und Simon gegenseitig Mut machen, uns Zeuge werden lassen, wie sich mindestens einer total verliebt. Und wie süß Verliebtsein aussehen kann, was vor allem am Geschick von Nick Robinson liegt, der dieses gefährliche Beben zwischen Sehnsucht, Verunsicherung, Unbekümmertheit und schon fast körperlicher Qual bestens umsetzt. Es ist schon irre, welche Geborgenheit und Zuversicht ein Chat bieten kann. Darüber hinaus wird hinreißend von einem erzählt, der einem Blogger verfällt, obwohl er nicht einmal weiß, wer dies sein könnte. Es herauszufinden, ist mit einem herrlichen Witz erzählt, der Zuschauer rätselt kräftig mit und liegt immer daneben! Ebenso zum Niederknien komisch die Einlagen, in denen eine schöne andere Welt herbeigegaukelt wird, in der Teenager den Eltern ihre Heterosexualität gestehen, worauf Tränensturzbäche und Glaubenskrisen sich ihren Weg bahnen.

Regisseur Greg Berlanti versteht sich perfekt aufs Balancehalten zwischen abgefahrenem Humor und dramatischeren Momenten, zu denen Simons Verrat von Freundschaft und die Erpressungsversuche einer Klemmschwester gehören. Ihm gelingt mit LOVE, SIMON ein Herzensstürmer, ein Mutmacher, und es kullern schon die Tränen, wenn man sieht, wie Simon seine eigenen Eltern unterschätzt hat. Und natürlich wußte seine Mum schon sehr früh, daß ihr Junge ein Geheimnis hat. Mutti eben ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.